Elona Xani
Umweg ins Glück

Sie heißt Elona Xani. Sie wird vor 36 Jahren in Albanien geboren, zu einer Zeit, als das damals sozialistische Land noch „unter Verschluss“ und Balkanreisenden der Zutritt verboten ist. 1990 öffnet sich das kleine Land an Adria und Ionischem Meer nach außen und innen. Elona hat die Möglichkeit, eine Universität zu besuchen. Sie studiert französisch auf Lehramt, findet als Lehrerin keine Stelle, bekommt aber ihre Chance bei einer Bank in Tirana, der Hauptstadt des Landes, das mit knapp drei Millionen etwa so viele Menschen beherbergt wie Schleswig-Holstein und von der Größe her etwas kleiner als unser Nachbarland Belgien ist.

Auch Umwege können zum Ziel führen. Und geradewegs ins Glück. Hätte Elona vor einer Schulklasse gestanden, anstatt in einer Bank, wo ihre Französisch-Kenntnisse gefragt sind, am Schalter zu sitzen, hätte sie nie ihre große Liebe kennen gelernt: Osman Xani, der aus dem Kosovo stammt, sein Land 1999 wegen der Kriegswirren verlässt, in Deutschland eine neue Bleibe findet, und eines Tages im Jahr 2006 in Tirana vor dem Bankschalter und vor Elona steht. Man sieht sich an, redet ein bisschen, lacht miteinander und, klar, Osman Xani kriegt von Elona auch sein Geld, dafür ist er schließlich hier. Danach verabredet man sich – nach Feierabend auf einen Kaffee.

Die Sehnsucht wächst

Diesmal bleibt Osman, der damals in Dortmund in der Hohe Straße wohnt, länger als geplant. Er hat Zeit. Er hat im Kosovo Architektur studiert, aber in Deutschland lebt er als bildender Künstler; seine Bilder werden in Ausstellungen gezeigt, er hat erste Erfolge. Nach Osmans Rückkehr nach Deutschland nimmt der Telefon- und Mailverkehr ungeahnte Ausmaße an. Und die Sehnsucht wächst und wird groß und übermächtig. Osman fährt zurück nach Tirana, und dann, sagt Elona Xani, „war ganz schnell ganz klar, dass das eine Liebe ist.“

Zwei Jahre später heiraten die beiden in Albanien. Sie ist Christin, er Moslem – kein Problem in einem Land, in dem die Ausübung jeder Religion Jahrzehnte lang verboten war. Elona zieht nach Dortmund. Sie hat in Albanien Deutschkurse besucht und die Prüfung mit einer glatten Eins absolviert. Sie ist mehrsprachig, neben Albanisch und Deutsch spricht sie auch Englisch und Italienisch, „aber Deutsch“, sagt sie mit einem kleinen Seufzen, „das ist so schwer, noch viel schwerer als Französisch. Leider ist das so …“ Dafür spricht Adea ohne Mühe Deutsch. Die Kleine ist jetzt viereinhalb und der ganze Stolz der Eltern. „Adea“, erkärt Elona, „ist ein sehr, sehr alter albanischer Name, und irgendwie soll man ja auch hören, wo man herkommt.“ Das Küken ist im Kindergarten in der Kuithanstraße stationiert: „Die sind ganz toll da, die Leute, und unsere Kleine ist sehr glücklich da.“

2009 kaufen die beiden eine Wohnung in der Lange Straße im Unionviertel – alles passt, ein Glücksfall. „Meine Familie“, sagt Elona „hat ein bisschen geholfen“, und dann, im letzten Jahr, wird das Glück sozusagen zum „Sechser im Lotto“. Unten im Haus wird ein geräumiges Ladenlokal frei, und das Beste ist: Es steht zum Verkauf.

Silence – Ruhe!

Der Deal wird perfekt gemacht. Osman Xani hat nun sein eigenes Atelier, die Wohnung liegt zwei Stockwerke darüber. Ausstellungen, Malkurse, künstlerische Treffen bei Wein und Klaviermusik … Die Welt der kleinen Familie ist sehr in Ordnung, zumal Elona beruflich auch ihre Aufgabe gefunden hat. Sie ist als Lehrerin an der Droste-Hülshoff-Realschule in Kirchlinde tätig und unterrichtet Französisch. Nicht immer ganz einfach bei den wilden Elf- oder Zwölfjährigen, aber sie hat eine Methode gefunden, um sich durchzusetzen, und sie funktioniert: Silence – Ruhe!, steht auf einem Schild, das sie zu Hause am PC ausgedruckt hat, und wenn sie das an die Tafel pinnt, herrscht, der Himmel weiß warum, auf einmal: himmlische Ruhe!

Elona Xani lebt gerne in Dortmund, aber sie hat immer wieder auch Heimweh. „Das Licht fehlt mir“, sagt sie, „da wo ich herkomme, scheint die Sonne dreihundert Tage im Jahr.“ Dafür mag sie die Menschen in Deutschland. „Alle sind sehr freundlich, und in unserer Nachbarschaft sagen alle immer ’Hallo’!“

Das Paar hat einen großen Bekanntenkreis, meistens sind es Deutsche, sagt Elona, „und die allermeisten sind Lehrer oder Künstler wie Osman.“ Sie selbst hat es nicht so mit der Kunst; malen, gesteht sie, kann sie gar nicht. Doch dafür ist sie sportlich, fährt viel Rad und hat lange Jahre Volleyball gespielt. Und Kochen kann sie, und das mit Leidenschaft: „Ich mache viel mit Blätterteig, den ich mit Hackfleisch oder Spinat fülle. Unsere Küche ist ein bisschen wie die türkische Küche, viel Gemüse und gutes Öl und sehr mediterran.“ Das wissen sie zu schätzen, die „Künstler und Lehrer“, die in die Lange Straße geladen werden: zu Teigtaschen und Wein und Gesprächen über Gott und die Welt.

 

 

 

Text: Ursula Maria Wartmann

Foto: Sabrina Richmann

Herbst 2015