Ralf Stoltze
Gerechtigkeit und Kommunikation

Die größte Stadt Kolumbiens nach der Hauptstadt Bogotá ist Medellin: Über 2,5 Millionen Menschen leben heute in der Stadt in den Anden, die sich über lange Jahre einen zweifelhaften Ruf als Drogenumschlagplatz und „Welt-Mordstadt“ erworben hatte, seit neuestem aber als angesagte Metropole gilt. Damals, in den 1950ern, war sie friedlicher Anlaufpunkt für viele Deutsche, die einen Job und ihr Glück suchten. 1956 vermeldete die Statistik in Medellin die Geburt eines kleinen Jungen: Ralf Stoltze.
Das Baby (und viel später Bürgermeister der Innenstadt West) ist ein Sommerkind, im Juli geboren; die Eltern haben sich in dem südamerikanischen Staat kennen gelernt. Der Vater aus Bremen, die Mutter geflüchtet aus Ostpreußen, die 1954 den Sprung in die Fremde wagte, um dort zu arbeiten und den Duft der großen weiten Welt zu schnuppern. „Sie hat“, sagt Ralf Stoltze, „sich einfach auf den Weg gemacht. Das war damals schon ziemlich mutig.“
Sie jobbte in einer Fabrik, eröffnete dann mit einer Freundin eine Pension, wo sich der Vater, Kaufmann aus der norddeutschen Hansestadt, einmietete. Amors Pfeil traf ziemlich bald ins Schwarze. Die junge Familie kehrte nach Ralfs Geburt nach Deutschland zurück und zog wieder nach Bremen. „Da bin ich aufgewachsen“, so Stoltze, „mein Vater lebt noch dort. Und meine Schwester wohnt mit ihrer Familie ganz in der Nähe. Nur meinen Bruder, den Arzt, hat es nach Hamburg gezogen.“

Leidenschaft und Beruf

Ralf Stoltze mag den Norden, wo alle außer ihm geblieben sind; so oft wie möglich fährt er hoch. Nach dem Abitur landet er für’s Erste in Bochum und studiert ein Jahr Elektrotechnik. Schon damals ist er meist mit der Kamera unterwegs, ist fasziniert von der Idee, das Leben um ihn herum abzubilden. Die nächste Station ist Dortmund: Raumplanung. „Das“, grinst er, „war schon damals das vielseitigste, was man studieren konnte …“
Nebenbei macht er seine Leidenschaft zum Beruf. Stichwort: Bürgerfernsehen im Kabelpilotprojekt des WDR.
Stoltze ist ein Mann der ersten Stunde, als es Ende der 1980er um den Aufbau Offener Kanäle geht, die damals noch auf das Kabelfernsehen angewiesen sind. Die Idee: Es soll eine Nische für BürgerInnen entstehen, wo diese selbst das Sagen haben und eigene Beiträge machen dürfen. Zu Themen, die auf den Nägeln brennen. Beispiel Duisburg: „Als das Stahlwerk damals geschlossen werden sollte, da waren wir ständig vor Ort. Da haben wir unheimlich viel gemacht.“
Die „Werkstatt Offener Kanal“ hat damals ihren Sitz im Kaiserstraßenviertel – eine Einrichtung der Landesanstalt für Medien des Landes NRW, das sein Arbeitgeber ist. Dann macht sich Stoltze selbständig als Kameramann. Seit 1991 ist er vor allem als Cutter unterwegs und schneidet Fernsehbeiträge.

Eine Weile in Berlin

Dazwischen ist er eine Weile in Berlin. West-Berlin genauer; für Planer ist schon zur Zeit des Kalten Krieges die geteilte Stadt ein attraktiver Arbeitsplatz. Die Dortmunder bilden eine Clique in Berlin, man kennt sich aus dem Studium, trifft sich abends auf ein Bier, macht das, was heute Netzwerken heißt. Ralf Stoltze jobbt danach im Institut für Stadt- und Landesplanung, ILS, in Dortmund und ist außerdem als Kameramann unterwegs: „Ich habe in meinem Leben ganz oft mehrere Sachen gleichzeitig gemacht.“
1982 lernt er Monika Lührs kennen, und die ist noch heute seine Frau. Sie sind ein gutes Team – privat und beruflich. Beide sind politisch aktiv, beide sind in der SPD und beide gründen irgendwann eine Firma. „Videopictures GmbH“ heißt die sie, die spannende Sachen wie den Themenabend „Tango“ produziert, der auf arte gesendet wird, oder live Konferenzen in alle Welt überträgt.

Arbeitsschwerpunkt Sport

Das Spektrum ist groß, aber zunehmend kristallisiert sich ein Schwerpunktthema heraus. Sport, genauer: Fußballübertragungen, was bis heute so geblieben ist.
Ob im internationalen Team bei der Fußball WM in Frankreich, Japan, Deutschland, Südafrika oder Brasilien … Ob national beim Basketball, Eishockey, beim Tennis oder Reiten: Im Auftrag der Sender ist Ralf Stoltze vor Ort dabei, schneidet Berichte für die Sportschau oder das Sportstudio zusammen oder wählt als „Highlight Operator“ Bildsequenzen aus, die live eingespielt werden. Mittlerweile kann er es sich leisten, die Dinge etwas ruhiger angehen zu lassen. „Früher“, sagt er, „war ich unheimlich oft im Ausland. Es ist aber genauso spannend, in Deutschland zu arbeiten.“ Obwohl es da auch Ausnahmen gibt. Beim Länderspiel Armenien – Holland zum Beispiel, ein paar Monate ist das her, da war er dann doch wieder in Eriwan vor Ort. „Sechzehn Kameras“, sagt er, „sind das bei so einem Länderspiel. Und bei einer WM sind es doppelt so viele.“ Da muss schnell und versiert gearbeitet werden. Zum Glück filtert die Regie das Ganze schon einmal vor …
Wenn er nicht gerade beruflich auf Achse ist (gerne und sehr praktisch im VW-Bulli), ist er politisch für die SPD aktiv. 2009 wird er das erste Mal als Bezirksvertreter gewählt. Seit 2012 ist er zunächst stellvertretender Bürgermeister für den Stadtbezirk Innenstadt West. Und ab 2018 wird er Bezirksbürgermeister, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart ist. „Ein zeitintensives Hobby“, meint er lächelnd, „aber etwas, das man am besten richtig machen sollte.“

Gerne in die botanischen Gärten

Und, klar, er war Ende der 1980er bei den Jusos, eine halbe Ewigkeit ist das her; seine Frau war schon vor ihm da. Heute ist sie Sprecherin des SPD-Planungsausschusses für die Innenstadt bis zum Kreuzviertel im Rat der Stadt. „Das“, findet der Gatte, „ergänzt sich optimal. Wir sehen uns immer mal wieder bei Sitzungen und Empfängen …“
Was selbstredend nicht heißt, dass man sich sonst nicht mehr sieht. Man sieht sich zum Beispiel im Garten des Einfamilienhauses in Dorstfeld, wo gemeinsam gewerkelt wird. „Der ist nicht sehr groß, aber voll genutzt. Wir wollen einfach das haben, was uns gefällt.“ Stauden, Rosen und den kleinen Teich lieben sie. Wann immer die Zeit da ist, spazieren sie durch die wunderschönen Dortmunder Parks, „und im Urlaub, zum Beispiel am Gardasee, gehen wir jedes Mal wieder gerne in die botanischen Gärten.“
Ralf Stoltze radelt auch gern. Gut, heute ist es ein Elektrorad, wegen der Steigungen. Aber Tagestouren mit Freunden gehören zum Sommerrepertoire, da tankt er auf und macht sich fit für die nächsten Aufgaben als Kommunalpolitiker, dem die Sache ein echtes Anliegen ist: „Meine Grundthemen waren schon immer Gerechtigkeit und Kommunikation, das ergänzt sich sehr gut.“

Ansprechbar sein

Und da er Pragmatiker ist, erklärt er genauer, wie er das meint. Sein Job, sagt er, finde auf der untersten politischen Ebene statt. Dicht dran an den Leuten. Von denen viele große Sorgen hätten. Und oft nicht die Möglichkeit, sich zu äußern, geschweige denn, sich zu wehren. „Da sind die einen“, sagt er, „die haben das gelernt. Die haben auch das Selbstvertrauen. Die können ihre Meinung sagen. Aber da sind auch die anderen. Die können das nicht. Und diese anderen, die müssen in die Lage versetzt werden, sich zu äußern, und genau das sehe ich als eine meiner wichtigsten Aufgaben an.“
Er sei, sagt Ralf Stoltze, schon als Kind an der Welt interessiert gewesen. Habe schon früh die Zeitung gelesen. Sich mit Problemen auseinandergesetzt. Über Lösungen nachgedacht. Und eins sei ihm dann schon sehr früh klar gewesen: „Bei jedem Gespräch muss die erste Frage sein: Wie kann ich inhaltlich weiterhelfen?“
Ralf Stoltze zu treffen, ist so schwierig nicht. Natürlich monatlich in den Sitzungen im Rathaus, mittwochs um 16 Uhr. Aber auch freitags beim Frühstück am Wilhelmsplatz … In Dorstfeld beim Bäcker an der Ecke wird er sitzen, der zukünftige Bezirksbürgermeister – gelassen und freundlich, wie man ihn kennt. Und dann ist er ansprechbar. Für Menschen, die Probleme haben. Vielleicht auch nur eine Frage. Er wird sie anhören. Auch und besonders die, die nie zu einer Sitzung ins Rathaus kämen. Er wird, falls nötig, für sie in die Bresche springen. Für sie sprechen.
Und, hey, das ist ein sehr, sehr gutes Gefühl!

Text: Ursula Maria Wartmann
Foto: Daniel Sadrowski

Juni 2016