Was willße denn?
Die Gastroszene im Unionviertel

Durstig und hungrig muss keiner bleiben, der sich zwischen Wall, Rheinischer Straße und S-Bahnlinie verirrt. Ausgefallene, elegante, exotische und sehr freshe Möglichkeiten, seinen Hunger zu stillen sind durch Zuwächse in den letzten zwei Jahren entstanden. Ob nun der Schwerpunkt Fleisch oder vegan, ob teutonisch, tamilisch oder thai oder Essen mit Action – in einem Fahrradradius von nicht mal zehn Minuten ist neben Pommesdönerpizza auch Acht geben, genießen, ausgefallen oder klassisch oder gesund essen möglich – zu fairen Preisen. Ob nun eine Stehpizzeria mehr oder weniger eröffnet, ein Dönerimbiss mehr oder weniger schließt, ist für ein Stadtviertel recht egal. Die Hungerstillnischen haben ihre Berechtigung, ihren Markt, ihre Fans, aber für die Entwicklung eines Stadtviertels sind sie eher irrelevant. Richtige Restaurants dagegen, solche jedenfalls, die etwas können oder etwas besonderes machen, oder besonders sind, locken zum einen Leute von außerhalb ins Quartier und sie sind gleichzeitig Indikator für Veränderungen – meist zum Guten. Neueröffnungen, mutige und dann gelingende gastronomische Konzepte bilden aktuelle Trends ab, zeigen, was möglich ist und ob der Zeitgeist auch in diesem Viertel spukt. Genau wie Künstler erkennt mancher Gastronom die Zeichen der Zeit vor dem großen Rest von uns. Manche ahnen, was wir wollen und was demnächst in einem Viertel passiert, bevor wir das wissen. Die Mischung macht es, immer. Und die ist im Unionviertel auf Veränderung aus, ist so eigenwillig wie gelungen. Aber mehr geht trotzdem!

ZWISCHENDURCH

Hofcafe Foto: Roland Baege

Straßencafé/ Hofcafé
Gleich mit zwei Locations ist Claudia Lüdtke im Viertel vertreten, das Straßencafé an der Rheinischen 24 (zwischen Gasthaus und Burgerinitiative), gegenüber dem U und das Hofcafé im Uniongewerbehof. In beiden werden durchgehend hausgemachte Kuchen und Frühstückskleinigkeiten serviert. Der Mittagstisch ist unterschiedlich: Im Hofcafé gibt’s jeden Tag ein Gericht von Gemüsepfanne über Reisgericht bis Wrap. Im Straßencafé dagegen ein Mittagsbuffet, wochentag´s von 12:15 – 14:30: Tagessuppe/ – eintopf (vegan) mit Brot, dazu hausgemachtes Pesto, Rohkost, Salat und verschiedene Toppings. Am frühen Abend schließen beide Läden. Heimelig, nett trödelig-lässig eingerichtet – auch zum Abhängen und Zeitunglesen schön.

Ruanthai Imbiss (Rheinische Str. 35, unter den Arkaden, Ecke Ritterstraße)
Eigentlich kein Imbiss, sondern ein Minirestaurant mit skurrilem Außenbereich unter den Arkaden, direkt an der vierspurigen Straße – etwas für Großstadtliebhaber. Drinnen aber ist’s ruhig und lecker. Von den leicht speckigen Karten und Tischen sollte man sich ebenso wenig abschrecken lassen, wie von den kleinen Zetteln, auf die der Gast die Nummern seines Gerichts schreiben soll. Es gibt alle Gerichte – also rot, grün, gelbes Curry usw. – einmal in Fleisch (Huhn, Rind, Schwein oder Fisch) und vegetarisch (Tofu). Die Karte wirkt für die Miniküche groß, umfasst aber eigentlich nicht mehr als 10 oder 12 Gerichte plus Suppen und Salate. Die sind aber knackig, würzig, lecker und gut portioniert. Als scharfkantige Mittagstischalternative zu empfehlen.

VON WOANDERS

Sweet Chilli
In das von außen unscheinbare Restaurant „Sweet Chili“ unter den Arkaden an der Rheinischen Straße (gegenüber der Gewerblichen Schulen) kommen Tamilen aus dem In- und Ausland zum Essen. Denn hier werden nur originale Zutaten und Gewürze verwendet. Wer indische Küche kennt – obwohl man von DER indischen Küche bei einem gigantisch großen, vom Golf bis Himalaya reichenden, 1,2 Milliarden Einwohner Land kaum reden kann, also sagen wir lieber, wer schon mal in einem indischen Restaurant war, findet hier Ähnlichkeiten: verschiedene Currys mit Fleisch oder vegetarisch, aber auch Eigenheiten wie Piddu, Weizenmehlkügelchen aus dem Dampfgarer, Pfannkuchen aus Urid-Linsenteig und srilankesische Reisgerichte. „Indische“ Gerichte stehen auch auf der Karte, von Linsengericht bis Briyani. Alles auch nach deutschen Schärfe-Gewohnheiten zu haben, gut portioniert und frisch gemacht. Der Laden ist Treffpunkt der Tamilen in Dortmund – der größten Gemeinschaft Europas – sogar mit eigenem Fußballverein, Supermärkten und Kulturverein im Viertel.

Sapori d’ Italia
Das Sapori kann seine Kneipenherkunft nicht verschleiern: braunes, lackiertes Holz an schweren Kneipentischen, ein den Raum dominierender Tresen und im Biergarten Plastikstühle, dazu läuft ein Radiosender. Das Essen ist dagegen so gar nicht kneipenhaft, sondern auf sehr gutem Niveau für erstaunlich kleines Geld. Die Pizza- & Pastakarte enthält zwar wenig Überraschungen, dafür sind alle Gerichte Klassiker oder Variationen derselben, gut portioniert und frisch zubereitet. Das Haus läuft im Paarbetrieb von Herrn und Frau Torriero und hat auch während der ewig scheinenden Umbauten entlang der Langen Straße durchgehalten. Jetzt gibt es zusätzlich zu den etwa acht Tischen und dem langen Tresen drinnen, sowie einigen Tischen hinten raus mit Blick auf Idiots Records und das Winkelmannsche schwarze Haus, auch an der Langen Straße Tische. Warum die „Referenzpizza“ vieler Leute, die von Vapiano, einfach NICHT gut ist, kann man hier schmecken: Der Teig der Sapori Pizza ist die neapolitanisch korrekte Mischung aus weich und bissfest. Sie wird im richtigen Verhältnis belegt und im Steinofen gebacken. Sowohl die Pizza wie die Nudelvarianten mit Meeresfrüchten oder Steinpilzen sind frisch, schmackhaft und dabei einige Euro weniger und deutlich besser als die Trocken-Teigfladen der erwähnten Kette. Wer nicht unbedingt Trattorienatmosphäre mit Karotischdecken und Arien im Hintergrund braucht, dafür auf authentische, solide italienische Küche Wert legt, ist hier richtig.

KLASSISCH

Pfefferkorn

Pfefferkorn
Eins der wenigen noch verbliebenen echten Brauhäuser in Dortmund, zumindest im Look: Holztür, Holztische, Holzwände, Holzboden, dazu Kronleuchter, Bierkrüge in Vitrinen, venezianische Muranoglasfenster und und Gemälde mit dunkler Firniss: Kein Wunder, dass hier mittags regelmäßig Touristengruppen die langen Tische bevölkern – das Haus hat den Platz und Charme und die Karte für ein Dortmund-Erlebnis: Die Küche hat ein stabiles westfälisches Standbein und grenzoffenes Spielbein mit Fisch und saisonalen Gerichten von Spargel, Matjes, Steinpilze, Pfifferlinge bis Wild. Viel Fleisch, meist mit Sauce, aber auch feine Steaks oder Rib Eye aus Irland, Argentinien und USA oder Lamm aus Neuseeland. Die „Klassiker“ der Karte umfassen allein 17 Positionen. Der Mittagstisch für spektakuläre 5 Euro ist sehr zu empfehlen. Old School Fleisch-Dining und Atmosphäre ohne Etepetete.

ANDERS

Vegansky
Hoher Wall 30
Vegan ist mehr als nur ein Trend oder kurzlebiger Lifestyle. Inzwischen auch ein erfolgreiches, weiter wachsendes Marktsegment der Gastronomie. Mitte 2014 eröffnete dieser Laden, genau zwischen Klinikviertel, Kreuzviertel und Unionviertel am Wall gelegen. Hierhin kommen nicht nur die 100%igen, sondern auch Flexitarier oder Einsteiger – eben alle, die ein bisschen darauf achten, was sie essen oder einfach gern variieren. Beim Studium der Karte, die auch vegane Burger, Döner wie veganes Sushi anbietet, darf probiert und gestaunt werden. Alle Zutaten sind bio, alle Soßen und Dips hausgemacht. Na, und Smoothies, das Trendgetränk der bewußten Gemüse&Obststrinker, gibt es natürlich auch. Auch hier geht es mehr um die Mittags- und Feierabendesser, um 19 Uhr wird geschlossen.

EDEL

Emil Grill & Meer
Hach, Auerbachskeller – Hier fand viele Jahre manch Pils seinen durstigen Trinker und auf legendären Bällen mit Ausflügen ins damals noch existente Bierlager in den Etagen darüber auch manch Boy sein Girl. Heute ist das U ein Museum und der Keller ein mondänes Restaurant. Mondän kann die Stadt und das Viertel noch einiges vertragen bis einer „Gentrifizierung“ ruft. Der Gewölbekeller ist zwar noch erkennbar, nun aber mit Sitznischen (teilweise mit Vorhang) und Tischen im Hauptraum ausgestattet – dazu Kronleuchter und eine flauschige bis noble Atmosphäre. Zu Essen gibt es das, was der Name des Hauses verspricht, zu höheren, aber angemessenen Preisen mit Blick auf Qualität und Portionierung. Ob Menü oder à la carte, ob Steak New York Style, Pulled Pork Burger, Iberico Schweineschulter oder gegrillte Dorade und Tintenfisch – alles qualitativ hochwertig und auf den Punkt. Danach kann wer noch kann die großherzigen, sehr eigenen Nachspeisen genießen. Hier werden Abende verbracht, hier wird gegessen, hier wird guter Wein getrunken – oder ein echtes Pils wie früher.

Zum goldenen U

Zum Goldenen U
Noch 2014 als a la carte Restaurant eröffnet, ist das Goldene U heute kein Restaurant im eigentlichen Sinn mehr, sondern ein gastronomischer Veranstaltungsort, eine Art Termin-Event-Gastrobetrieb im 7. Stock des U, in den Räumen des View. Krimi- oder Musical-Dinner, Zauber-Dinner, Valentinstags-Menü, Konzert, Comedy- oder Kabarett-Abende werden geboten. Also wer mehr Action will oder sich nicht mit der Begleitung so viel unterhalten beim Essen, kann hier buchen. Der Raum ist auch komplett zu mieten inklusive Sound, Video- und Lichtanlage. Bis zu 600 Personen oder ein Fest im kleineren Kreis. Über das Essen wird immer erst zur Veranstaltung informiert.

Text: Christian Caravante

Oktober 2016