Er ist im Sternzeichen Löwe geboren, im August 1960 in Dortmund, er glaubt an so was und seine Frau erst recht. Typisch Löwe? „Hundertprozentig, findet meine Frau“, sagt Andreas Fieseler, er grinst ein bisschen und verschränkt die Arme über den roten Hosenträgern über dem roten Hemd. „Sie findet, ich bin optimistisch und gesellig und ein Familienmensch. Recht hat sie. Stimmt genau! Und was ganz komisch ist: Wir streiten uns nie …“
Die Fakten sprechen für sich. Vier Kinder haben die Fieselers, zwischen 26 und elf Jahren, eine Tochter ist darunter, die weit weg in Berlin lebt; die Söhne leben noch zu Hause. Zu Hause, das ist in Lünen, täglich fährt Andreas Fieseler die Strecke nach Dortmund in die Rheinische Straße, und das findet er gut: „Das ist Entspannung für mich, beim Fahren kann ich abschalten. Man möchte ja nicht mit der Firma im Nacken am Feierabend nach Hause kommen!“
Pionier der ersten Stunde
Er arbeitet als so genannter Berufspraktiker im BTZ (Berufstrainingszentrum) westlich der Dorstfelder Brücke. „Das bedeutet“, erklärt er, „ich leite Menschen in den Bereichen Holz- und Fahrradwerkstatt praktisch an. Außerdem begleite ich den EDV-Unterricht.“ Im BTZ, das im Januar 1996 eröffnet wurde, ist er ein Urgestein: Pionier der ersten Stunde. „Es scheint“, meint er lakonisch, „ als würde es mir hier ganz einfach gefallen …“
Im Durchschnitt betreut er „seine Leute“ ein Jahr. Es geht um berufliche Wiedereingliederung, wenn jemand, aus welchen Gründen auch immer, vom bisher beschrittenen beruflichen Weg abgekommen ist. Das können gesundheitliche oder ganz pragmatische Gründe sein. „Die Menschen“, so Fieseler, „sollen langfristig wieder in Arbeit kommen. Vom Atomphysiker bis zur Putzfrau sind ganz unterschiedliche Leute dabei.“
Hundert Leute – hundert Schicksale
Fieseler liebt präzise Formulierungen, die die Dinge knapp auf den Punkt bringen. „Hundert Leute, hundert Schicksale, hundert Geschichten“, sagt er. „So ist das hier – wie überall!“
Dass er genau diese Arbeit irgendwann machen würde, war ihm nicht in die Wiege gelegt. Nach dem Grundschulbesuch in Dortmund („ Das war noch auf der Stadtrat-Wilhelm-Kaiser-Schule, die heißt heute Nordmarktschule.“) lernte er später Graveur, ein Beruf schon damals mit zweifelhafter Zukunft, da schon bald Computer die Menschen ersetzen würden. Neuorientierung also. Mit 36 legte er vor der Handwerkskammer in Dortmund seine Prüfung als Metallbauermeister ab und war in verschiedenen Betrieben tätig, bis irgendwann das BZT ihn rief.
Wenn er in der Rheinischen Straße nicht im Dienst der Sache bzw. der Menschen unterwegs ist, gibt es zwei große Hobbies, die ihn begeistern. Das eine Hobby sind Fotos, nicht irgendwelche Fotos, nein: Kabinett-Fotos; es gibt Foren im Internet, wo Gleichgesinnte die Raritäten vorstellen und austauschen. Es sind historische Porträts, uralte Familienfotos, Männer in den Militäruniformen längst vergangener Epochen. Die Bilder wurden allesamt „im Kabinett“ aufgenommen und sind in der Regel aufwändig stilisiert. „So von 1860 bis 1900“, so der Kenner, „sind die Bilder interessant. Danach sind sie Massenware geworden.“
Besondere Einzelstücke
Zwei besondere Einzelstücke hat er in seiner Sammlung: eine Aufnahme der legendären Kaiserin Sissi, datiert um 1890. Und die Aufnahme eines Transvestiten: Dieses Foto zu schießen, weiß Fieseler, müsse zur damaligen Zeit ein fast lebensgefährliches Unternehmen gewesen sein.
Sein zweites großes Hobby ist das „geocashing“, das er mit dem Jüngsten, Silas, teilt. „Das ist auch gut so, damit der mal anne Luft kommt!“ Und so stiefeln Vater und Sohn mit dem Navi durch die Lande, geben Daten ein, runzeln die Stirnen, fachsimpeln, finden Koordinaten und im besten Fall irgendwann das – gut versteckte – Logbuch, um das sich im Endeffekt alles dreht.
„Da tragen wir dann unsere Namen ein, und alles ist gut …“
Und das Beste ist: Geocashing kann man nicht nur im Ruhrpott machen, geocashing geht überall. Auch an der Mecklenburger Seenplatte, nach Rügen rüber, oder „wenn wir mal in Polen sind.“ Da nämlich fahren die Fieselers im Urlaub in diesem Jahr hin, bevor es, auf die eine oder andere Art, wieder an die Schüppe geht.
Was auch geschieht, „Löwe“ Fieseler nimmt es mit Langmut. „Heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens“, meint er philosophisch und hakt die Daumen hinter die roten Hosenträger über dem roten Hemd. „Wat soll man sich aufregen? Ich lache lieber: über mich. Über andere. Und die Welt!“
Text: Ursula Maria Wartmann
Foto: Daniel Sadrowski
Mai 2015