KREATIV.QUARTIER
Künstlerische Freiräume und kreative Milieus im Ruhrgebiet
Praxis und Programm der Landesförderung Kreativ.Quartiere Ruhr

Open Air-Festival ohne Strom in Hagen, Kino und Kunst in leerstehenden Ladenlokalen in Hamm, Dortmund und Essen, super_filme in Witten oder Kalakuta Soul Workshop mit internationalen Musikgrößen in Bochum – das Landesprogramm Kreativ.Quartiere Ruhr ermöglicht künstlerische Experimente, seit 2012 mehr als 50 Projekte, und stärkt so kreative Milieus in 14 Städten und 15 Quartieren.

Städte stehen heute weltweit vor neuen Erwartungen ihrer BürgerInnen und radikal geänderten Rahmenbedingungen ihrer Wirtschaft: Mehr Beteiligung, mehr Transparenz, mehr Mobilität und eine bisher nicht gekannte Dynamik durch die digitalen Entwicklungen betreffen nicht nur Produkte und Produktion, sondern auch soziale und urbane Strukturen. Im Ruhrgebiet gilt dies besonders vor dem Hintergrund der sozialen Folgen des langen Strukturwandels und wirft die Frage auf: Wie bleiben Städte im Ruhrgebiet heute attraktive Lebens- und Arbeitsräume für KünstlerInnen und Kreative?

Integrative Impulse für das Ruhrgebiet
Das Landesprogramms Kreativ.Quartiere Ruhr setzt bei dieser Frage ganz pragmatisch an – zunächst durch einen regelmäßigen Austausch zwischen KünstlerInnen und Kreativen auf Augenhöhe mit den Kultur- und Wirtschaftsverwaltungen der Städte. So entstehen gemeinsame Entwicklungsstrategien, die durch künstlerische Impulsprojekte und Kommunikationsmaßnahmen initiiert und verstetigt werden. Für die Revitalisierung urbaner Räume leisten gemeinschaftlich erarbeitete Kultur- und Kreativprojekte einen unverzichtbaren Beitrag, die das Land dann unterstützt, wenn sich Kultur-, Wirtschaft- und Stadtentwicklung integrativ verbinden. Das Landesprogramm setzt nicht allein auf finanzielle Förderung, sondern die Förderung des Dialoges und Prozess auf Augenhöhe, den allein die AkteurInnen vor Ort leisten und treiben können. So wird ein kulturell-sozialer Lernraum unterstützt, der sich auch nach dem Ende der öffentlichen Förderung weiter entfalten kann.

Stadtentwicklung als Dialog auf Augenhöhe mit KünstlerInnen und Kreativen
ecce ist überzeugt, dass die kulturelle, ökonomische und urbane Entwicklung nur in Dialogform realisiert werden kann. Heterogene Interessen müssen verhandelt werden und zu einer gemeinsamen Vision und daraus abgeleiteten Aktionen finden. Ausgehend von der Kommunalverwaltung als langfristig stabiler Anker für Stadtentwicklung sind idealerweise die Kultur-, Wirtschafts- und Stadtplanungsdezernate gemeinsam mit ImmobilieneigentümerInnen und AkteurInnen der Kultur und Kreativwirtschaft in den Quartieren tätig. Idealerweise sollten Investitionen der öffentlichen Hand auf Basis einer integrativen Strategie erfolgen – als Impulse und Anstöße für eine örtlich verwurzelte Überzeugung, wie man „sein Quartier“ entwickeln will. Das Programm Kreativ.Quartiere Ruhr versteht Quartier daher zuerst als kulturellen, sozialen Dialog- und Lernraum und nachfolgend als Raum für ökonomischen Optionen und Entwicklungen – sei es für den Ein-Mann-/Frau-Tattoo-KünstlerInnen oder für eine zehnköpfige Werbeagentur.

Kreativ.Quartiere Ruhr: Das Förderprogramm
An diesem Programm können Städte, Gemeinden sowie KünstlerInnen, Kreative und Initiativen des Ruhrgebiets teilnehmen. Förderfähig sind künstlerisch oder auch kultur- und kreativwirtschaftlich motivierte Projekte, die einen nachhaltigen Impuls für die Entwicklung eines Quartiers geben. Hierunter fallen zum Beispiel:
• Maßnahmen, die mit einem innovativen Ansatz die künstlerische und kreative Kompetenz des Kreativ.Quartiers qualifizieren und/oder erlebbar machen
• Maßnahmen, die darauf abzielen, neue Strukturen, Formate oder Freiräume für KünstlerInnen zu initiieren bzw. in einem ersten Schritt zu verstetigen
• Kommunikation über die geförderten künstlerischen und kreativen Maßnahmen und/oder Konzepte.

Ihre Wurzeln haben die Kreativ.Quartiere Ruhr in der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010, die als erste Kulturhauptstadt Europas die freie KünstlerInnen und Kreative sowie Kultur- und Kreativunternehmen, die sog. Kultur- und Kreativwirtschaft, als eine tragende Säule ihres Programms begriffen und im Sinne eines offenen Kulturbegriffs integriert hat. Auf Initiative von RUHR.2010 und ecce trafen sich 2009 erstmals KünstlerInnen und Kreative sowie VertreterInnen der Kulturdezernate und Wirtschaftsförderungen der Region an Roundtables. Sie haben damals eine Förderung von Kunst und Kultur konzipiert, die mit Blick auf kulturelle, ökonomische und urbane Veränderungen den Strukturwandel im Ruhrgebiet unterstützt. Dieser Ansatz wurde 2011 in die Nachhaltigkeitsvereinbarung des Landes Nordrhein-Westfalen und des Regionalverbandes Ruhr aufgenommen. 2012 wurde das aktuelle Förderprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen in Abstimmung mit den Städten im Ruhrgebiet entwickelt und gestartet.

Neue Fördersäule: Individuelle Förderung von Künstlerinnen, Künstlern und Kreativen (IKF)
Während der Fokus des Landesprogramms Kreativ.Quartiere Ruhr auf der Entwicklung kreativer Milieus im Stadtraum liegt, stellt die neue Initiative des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport (MFKJKS) des Landes Nordrhein-Westfalen „Individuelle Förderung von Künstlerinnen, Künstlern und Kreativen (IKF)“ konkrete Angebote zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von KünstlerInnen und Kreativen vor Ort bereit.

Im Rahmen eines Pilotprogramms im Ruhrgebiet erarbeitet ecce seit 2015, im Austausch mit kreativen AkteurInnen, Formate einer individuellen KünstlerInnenförderung und erprobt diese in den Jahren 2016 und 2017. Im Jahr 2015 haben über 1.200 Kunst- und Kreativschaffende an einer Studie der Prognos AG teilgenommen. So entstand erstmals ein breiter, empirisch gesicherter Überblick über die Arbeits- und Lebensbedingungen in NRW. Ein zentrales Ergebnis ist, dass 75 % der Befragten ihren beruflichen Wunschstandort in NRW sehen – aber zahlreiche und höchst verschiedene Bedingungen verbessert sehen wollen.

Auf Basis dieser konkreten Bedarfe und Wünsche hat ecce in Abstimmung mit dem MFKJKS und im Austausch mit AkteurInnen eine möglichst passgenaue Förderstruktur entwickelt: KünstlerInnen und Kreative aus allen Sparten und Berufen der Kultur, der Kunst und der Kreativwirtschaft, Kulturinstitutionen und Netzwerke sowie Städte im Ruhrgebiet können seit Herbst 2016 IKF-Förderungen beantragen. Einzelnen künstlerischen und kreativen AkteurInnen oder Gruppen stehen drei Förderbereiche zur Auswahl – für ihre persönliche autonome Entwicklung, ganz ohne Projektvorhaben, für kurzfristige Aktionen oder für selbstgewählte thematische Projekte. Kulturelle Institutionen, Dachverbände und freie Kulturträger sowie Städte und Projektträger können Anträge für strukturbildende Programme stellen, die KünstlerInnen und Kreative in ihrem Arbeitsumfeld unterstützen.

Das Programm Kreativ.Quartiere Ruhr besteht damit seit 2016 aus zwei Fördersäulen:
Zur Verbesserung der urbanen Rahmenbedingungen für KünstlerInnen und Kreative (KQ Ruhr – Urbane Impulse) ist jetzt die Förderung der individuellen beruflichen Perspektiven von KünstlerInnen und Kreativen (IKF) hinzugekommen.

Mehr Informationen unter:
www.kreativ-quartiere.de
www.facebook.com/Kreativ.Quartiere

Foto: Valdimir Wegener