Aquaponik-Systeme in der hei-tro GmbH
Globales Denken, lokales Handeln

Die im Jahr 1984 in Marten gegründete hei-tro GmbH residiert mittlerweile auf dem Union Gewerbehof. Der Internetauftritt steckt zunächst einen weiten Rahmen ab und nennt Immobilien, Projektentwicklung und Aquaponik als Tätigkeitsbereiche des familiengeführten Unternehmens. Nach dem 2010 vollzogenen Generationenwechsel trat die Immobiliensparte sukzessiv in den Hintergrund. Seit 2014 liegt der Schwerpunkt bei der Entwicklung und Verbreitung nachhaltiger Nahrungsmittelproduktionssysteme auf Basis des Aquaponik-Prinzips.

Aquaponik ist die Bezeichnung einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft, bei welcher Fischzucht und Hydroponik, eine Anbaumethode, bei welcher Pflanzen ihre Nähstoffe nicht aus Erde, sondern aus Wasser ziehen, zu einem System gekoppelt werden. Die zugrundeliegende Idee, Rückstände aus Fischfarmen als Düngemittel bei der Kultur von Pflanzen zu verwenden, liegt eigentlich auf der Hand. Das Brauchwasser der Fischzucht fließt biologisch gereinigt in die Aquarien zurück. Klingt schlüssig wie simpel, der Teufel steckt wie immer im Detail. Beispielsweise haben Fische und Pflanzen recht unterschiedliche Vorstellungen von optimaler Temperatur oder perfektem PH-Wert des Wassers. Auf dem Union Gewerbehof wurde diesbezüglich in den letzten Jahren Grundlagenforschung und Pionierarbeit geleistet. Beteiligt waren, neben der hei-tro GmbH, der Urbanisten e.V. und die Dorstfelder Gewächshausfirma e.p.h. Schmidt.
Axel Störzner, seit dem eingangs erwähnten Generationenwechsel mit der Führung der GmbH beauftragt, sieht sich in diesem Zusammenhang in erster Linie als Netzwerker – und seine übergreifende Aufgabe darin, einen bewussteren Umgang mit begrenzten Ressourcen zu fördern. „Ich bin gelernter Garten- und Landschaftsbauer. Außerdem habe ich fünf Semester Raumplanung studiert, da wurde mir das Wort ‚Nachhaltigkeit‘ quasi in die Hirnrinde tätowiert. Als mir Rolf Meinecke die Aquaponik-Versuchsanlage der Urbanisten auf dem Gewerbehof gezeigt hat, hat es bei mir sofort gefunkt. Er als Techniker und Wissenschaftler, ich mit dem Know-how der hei-tro als Projektmanager, das war die perfekte Ergänzung.“
Die Partner in Sachen Aquaponik haben in der Folge an diversen Vorhaben (mitge-)arbeitet. Ein Ergebnis interner Kooperation ist ein etwa 20 qm großes Community-Gewächshaus, das seit zwei Jahren stabil funktioniert. Es eignet sich zur Erweiterung von urban-gardening- bzw. urban-farming-Projekten. Freilich wäre das kein Produkt von der Stange, sagt Störzner. Das Gewächshaus könne und solle individuell ausgestattet werden, abhängig davon, welche Pflanzen und welche Fische die Betreiber einzusetzen wünschen und welche Erträge sie sich erhoffen.
Eine externe Kooperation neueren Datums begann Anfang 2016 mit der Anfrage der Emscherkunst, ein Aquaponic System für die „Urban Space Station“ am Hörder Phoenixsee zu bauen, entworfen von der australischen Wissenschaftlerin und Künstlerin Natalie Jeremijenko. Jeremijenko konzipierte mit dieser Arbeit die visionäre Form einer Gebäudetechnikergänzung. Vereinfachend gesagt geht es darum, Luft innerhalb eines Gebäudes für Menschen atembar zu halten – unabhängig von einer eventuell verseuchten Außenwelt.
Ein potentielles Anwendungsgebiet von Aquaponik, das nicht so weit in einer nicht so düsteren Zukunft liegt, könnte der Gemüseanbau auf Supermarktdächern sein. Der kürzeste Weg zwischen Beet und Ladentheke. „Das ist meine absolute Lieblingsvision bei dem Thema“, sagt Störzner. „Wir haben die Möglichkeit, ganz nah am Verbraucher zu produzieren. Die Paprika kommt nicht aus Almería, sondern erntefrisch vom Flachdach. Es wäre großartig, wenn ein Unternehmen wie REWE, das sich das Label ‚Regional‘ unübersehbar auf die Fahnen schreibt, auf den Zug aufspringen würde. Wir haben eine umfangreiche Forschung. Jetzt wäre genau der richtige Zeitpunkt, mit finanziell potenten Partnern Anlagen zu bauen, um die praktische Nutzung voranzutreiben.“
Eine Vision und viele hochgradig spezialisierte Akteure. Zum Netzwerk gehören Universitäten, Künstler, Stadt- und Raumplaner, Ingenieure und kommunale Verwaltungseinrichtungen. Die hei-tro arbeitet an den Schnittstellen und koordiniert mit Leidenschaft und der festen Überzeugung, Bausteine für eine lebenswerte Zukunft bereitstellen zu können. „Mein Handeln leitet sich aus der Wahrnehmung der globalen Entwicklung ab“, sagt Störzner. „Ich weiß von der Überfischung der Meere. Ich weiß, was mit unseren Böden passiert. Ich weiß, wie viele Lebensmittel einfach vernichtet werden. Ich weiß um das Gefälle zwischen Nord und Süd, zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern, wo Rohstoffe abgezapft werden, um auf der anderen Seite die Versorgung zu gewährleisten. Das sind alles Tendenzen, die mir die Sinnbasis für meine Geschäftstätigkeit herstellen. Ich will nicht davon reden, die Entwicklung umkehren zu können. Das wäre anmaßend. Ich möchte ein bisschen auf der Bremse stehen, dass solche Entwicklungen nicht ungehemmt voranschreiten. Und das beginnt vor der eigenen Haustür.“

Text: Martini

Foto: Roland Baege

Oktober 2016