BUREAU HINTENLINKS
Zukunft im Hinterhof

Richardstraße 18. An der Rückseite eines kleinen Gartens haben sich Hightech und zeitgemäßes Handwerk in gewerblicher Architektur vergangener Jahrzehnte einquartiert. Die Gegensätze ergänzen sich vortrefflich. Wobei: nichts von alldem vermutet ein ahnungsloser Besucher vor dem metallenen Rolltor, welches besagten Hinterhof von der Straße im dichtest besiedelten Viertel Dortmunds trennt. „Wir werden das bald ändern, der Eingangsbereich soll transparenter werden“, sagt Jürgen Bertling, der im gemeinschaftlichen „Bureau hintenlinks“ arbeitet.

Die Idee, in Wohngebieten ansässige kleinere und mittlere Betriebe aus den innerörtlichen Quartieren zu holen, war einstmals sehr sinnvoll. Deren Emissionen beeinträchtigten die Lebensqualität der Anwohner mitunter massiv. Folglich wuchsen in den 1970er und 80er Jahren Industrie- und Gewerbegebiete im Umland der Städte. Ein relativ spätes Resultat dieser Entwicklung ist der weiße Bungalow mit dunklen Lamellenfenstern auf der grünen Wiese als Sinnbild der zukunftsweisenden Ideenfabrik.
Mit dem Ende der Hinterhofbetriebe einher ging allerdings auch das Ende der Einheit von Wohnen und Arbeiten. Die Infrastruktur innerhalb der Stadtviertel schrumpfte, nachbarschaftliche soziale Beziehungen verödeten. „Ich glaube, dass durch die strikte Trennung von Leben und Arbeit auch das Effizienz- und Produktivitätsdenken mit all seinen negativen Folgen in Bezug auf, unter anderem, die Ressourcenausbeutung extrem stimuliert worden ist“, sagt Bertling. „Die Produktivität  im Bereich der Produktion wurde unglaublich gesteigert, im Bereich der Reparaturtechnik dagegen gar nicht. Wenn man die Kaufkraft berücksichtigt, ist zum Beispiel der Preis von Waschmaschinen über die Jahre nicht gestiegen, der Preis einer anfallenden Reparatur hat sich in der gleichen Periode allerdings vervierfacht.“

Bertlings Arbeitsplatz bei Hintenlinks ist die „Dezentrale“. Hier wird die digitale Fertigung von möglicherweise sehr speziellen Einzelteilen mit Hilfe von 3D Drucker und Lasercutter erprobt. Gesucht werden Techniken, mit denen Privatpersonen wieder ermächtigt werden können, eigenhändig Reparaturen durchzuführen. Mit dem demokratisierten Zugang zu Produktionsmitteln beschäftigen sich derzeit auch RepairCafés, MakerSpaces und FabLabs als Elemente einer neu ausgerichtete DIY-Bewegung. „Wir sind ein kleiner Teil eines großen Versuches, Mensch und Arbeit wieder in eine Balance zu bringen. Dazu gehört der direkte Kontakt zum Werkstück ebenso wie die Kleinteiligkeit der Arbeit. Beim modularen Bauen denke ich darüber nach, wie lange ich das Teil verwenden möchte, an dem ich arbeite. Man überlegt, wie man es später weiterverarbeiten oder entsorgen kann oder ob es vielleicht für andere Leuten noch nützlich sein könnte. Solche Gedanken kommen in der heutigen Industrieproduktion nicht vor.“

Die „Dezentrale“ sitzt im Erdgeschoss des renovierten Gebäudes, in welchem einst eine KFZ-Werkstatt betrieben wurde, ein Fuhrunternehmen und eine Eisenwarenhandlung. In der ersten Etage haben sich Kommunikationsdesigner eingerichtet. „Das sind klassische Freiberufler“, sagt Bertling. „Es klingt einerseits banal, wenn man sagt, es wäre schön, Leben und Arbeiten eng zusammenzuhalten. Für viele Freiberufler aber gilt, dass es fürchterlich sein kann, beides im selben Raum zu haben. Morgens kommt man nicht an die Arbeit und abends nicht ins Bett. Man hat es gern nah, aber räumlich getrennt.“

Hintenlinks erfüllt diesen Wunsch. Und Hintenlinks ist nicht nur selbst vielseitig aufgestellt, es bringt auch Vielfältigkeit zurück ins Wohngebiet. „Mit Emissionen, die nicht größer sind als die einer Heißklebepistole“, wie Bertling sagt.

http://www.bureauhintenlinks.de

www.dezentrale-dortmund.de
www.facebook.com/dezentraledortmund

Text: Wolfgang Kienast
Foto: Buero Hintenlinks