„Bei einer Schallplatte hat man was in der Hand“, sagt Lukas Hergarten. Er hat mit „Black Plastic“ an der Rheinische Straße 31 im Juni den dritten Plattenladen im Unionviertel aufgemacht. Hier gibt es ausschließlich Vinyl-Schallplatten. Bei den beiden alt eingesessenen Läden, „Idiots Records“ und „Amsterdam Record Shop“, gibt es auch CDs zu kaufen doch alle drei Inhaber sind sich einig: „Vinyl ist im Kommen.“
Ein Trend, den auch der Bundesverband Musikindustrie bestätigt. Er vermerkt für 2012 ein Absatzplus von 10,3 Prozent. „Seit ein paar Jahren fragen immer mehr Kunden nach Vinyl. Ich werde bald ein weiteres CD-Regal wegstellen und stattdessen LPs anbieten“, erzählt Sir Hannes von „Idiots Records“ an der Rheinischen Straße 14. Auch die Alben seiner eigenen Bands „The Idiots“ und „Honigdieb“ bringt er längst wieder auf CD und Vinyl heraus. „Es gibt inzwischen auch Firmen, die alte LPs nachpressen“, sagt Oliver Wilkening vom Amsterdam Record Shop“ an der Sternstraße 11, und zeigt auf eine Platte von der Gruppe Yes, die eine deutsche Firma nachpressen ließ.
Das Publikum, das gern Vinyl kauft, ist – je nach Genre – durchaus jünger. Die Stammbesucher bei Black Plastic sind zwischen 20 und 30 Jahre alt, zum Amsterdam Record Store kommen meist Menschen zwischen 30 und 50 Jahre. „Die kennen sich sehr gut aus“, erzählt Lukas Hergarten anerkennend. Denn die Schallplattenleidenschaft kann schon so eine kleine Wissenschaft werden. Welche Musik von welchem Label in welchem Jahr in Vinyl gepresst wurde, entscheidet auch über den Preis der Second-Hand-Tonträger. Raritäten erzielen durchaus Spitzenpreise.
Was aber begründet die Renaissance der guten alten Schallplatte? Eine Schallplatte ist etwas zum Anfassen, sie ist präsenter, größer, man kann das Cover besser sehen und damit kommen auch Design und Cover-Kunst besser zur Geltung. „Ich kann die Texte auch ohne Brille gut lesen, muss nicht in einem kleinen Booklet rumblättern und vielleicht sogar eine Lupe zur Hilfe nehmen“, sagt Oliver Wilkening. „Inzwischen ist ja auch bekannt, dass CDs sich selber löschen oder sonst wie kaputt gehen können – eine LP ist, bei richtiger Pflege, unkaputtbar“, weiß Sir Hannes.
Und es gibt natürlich auch innere Werte: „Eine Platte klingt einfach besser“, sagt Lukas Hergarten. Dabei wehrt er sich gegen das Vorurteil, eine Platte müsse für das richtige Schallplatten-Gefühl knistern. „Gerade ruhige Stücke dürfen nicht knistern. Ich will doch Hörgenuss und keine Störgeräusche“, sagt er. Auch Sir Hannes und Oliver Wilkening teilen diese Auffassung. „Platten, die knistern, werden von echten Sammlern nicht gerne gekauft“, weiß letzterer.
„Platten kann man sich auch einfach in den Laden stellen, die verlieren ja nicht an Qualität. Und irgendwann kommt jemand, der sich freut, dass er sie gefunden hat“, erzählt Oliver Wilkening: Vor Kurzem erst hat er eine Karl Valentin Doppel-LP verkauft – der Kunde hat sich gefreut. Oder er erzählt von einem Belgier, der bei ihm gleich mehrere Platten von Fleetwood Mac kaufte. „In Belgien ist die Band gerade total angesagt.“
Plattenfreunde sind international oder regional sehr aktiv. Viele fahren gezielt zu Plattenläden, um ihre Sammlungen zu ergänzen. Vielleicht mausert sich das Unionviertel ja zu einem Mekka für Plattenfreunde. Die drei Experten halten es nämlich durchaus für möglich, dass sich weitere Vinylläden mit anderen Schwerpunkten hier ansiedeln.
http://www.blackplastic.de/
http://amsterdam-record-shop.de
http://www.idiots.de
Text und Foto: Gesine Lübbers