Taranta Babu
Ein Hoch der internationalen Nachbarschaft!

Schon seit 1979 bereichert das Taranta Babu das Unionviertel mit seiner unvergleichlichen Mischung aus Buchhandlung, Treffpunkt, Café und Veranstaltungsort. Solidarische Nachbarschaft und Internationalität jenseits der Konsumtempel: Eine seltene Pflanze in den Wirren des 21. Jahrhunderts? Gelebte Utopie in einer Oase der Freigeister? Oder einfach ein Stück sanft institutionalisierte, globale Normalität? Ein Gespräch mit dem Initiator, dem „Gesicht“ des Taranta Babu, Hasan Sahin, über ein (nicht-)alltägliches Dortmunder Phänomen mit einem nahezu weltweit guten Ruf, das auch am Standort selbst immer wieder Grenzen überwinden hilft.

Ein Verein, ein Café, eine Buchhandlung, ein Treffpunkt – das Bild vom Phänomen Taranta Babu ist vielfältig wie der Ort selbst. Vielleicht beginnen wir am Anfang und erzählen, wie dieser Ort entstanden ist: Wie sah es in der Humboldtstr. 44 im Jahr 1979, also zu Beginn, aus, und welche Rolle spielte Deine Person bei dem, was sich dann entwickelte?

Hasan Sahin: Ich habe Taranta Babu nicht im geringsten allein entwickelt, das aber lässt sich am besten aus meiner Biographie heraus erläutern: Ich war dabei, als sich schon 1974 der erste Ausländerverein in NRW gründete. Diese Freunde aus Spanien, Griechenland, Portugal und Chile, die alle wegen politischer Aktivitäten ihre Heimatländer verlassen mussten, trafen sich hier vor Ort, was einerseits mit der „Gastarbeiter-Problematik“, andererseits aber auch mit einem Interesse an Welt- und Europapolitik zu tun hatte. „Integration“ und „Migration“, beides Worte eher aus den 90ern, waren also die Themen, denn wir waren überzeugt: „Gastarbeiter“ bleiben hier. Und weil unter uns viele Bücherfreunde und Pädagogen waren, die sich Gedanken über die kommenden Generationen gemacht haben, wurde mit Kinder- und Jugendliteratur angefangen. Denn wenn man Deutsch als zweite Muttersprache lernen will, sollte man die erste erst einmal gut beherrschen. Und so hat sich aus der Idee heraus zunächst eine Buchhandlung manifestiert.

Wie verstehen wir den Namen des Ganzen in diesem Zusammenhang?

Hasan Sahin: „Taranta Babu“ ist der Name einer Person aus den „Menschenlandschaften“ von Nazim Hikmet und verweist auf die globalen Auseinandersetzungen, die sich u.a. in Äthiopien und Afghanistan abgespielt haben und abspielen.

 

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(Nicht nur) Deutschland findet eben nicht außerhalb der Welt statt, wird aber manchmal nicht gerne an damalige wie heutige (Mit-)Täterschaften erinnert. Nutzen wir doch die historischen Parallelen für einen Blick in die Gegenwart des Hauses selbst: Man sieht in den 10ern eine Buchhandlung, ein angeschlossenes Kaffeehaus, ein wenig Bürowesen und nebenan auch einen Veranstaltungsraum. Kann sich all das ohne Förderung von offizieller Seite entwickelt und erhalten haben?

Hasan Sahin: Bis zum heutigen Tage haben wir kaum lokale Zuschüsse erhalten, was sich auch aus z.B. meiner persönlichen Geschichte erklärt: Ich bin anti-staatlich aufgewachsen. Ich habe meine Bürgerpflichten…

… und natürlich (hoffentlich) entsprechende -rechte…

Hasan Sahin: … und die Stadt hat die ihren. Mehr muss da nicht sein, und ich möchte möglichst wenig damit zu tun haben. Natürlich geben wir der Stadt auch etwas, an Reputation und Werbung, landes- wie Europa-weit und – ohne Übertreibung – weltweit, ob in Buchhandlungen auf dem Broadway oder in Kapstadt, wo wir geschätzt und empfohlen werden. Aber das spiegelt eben den Geist dieses Projektes wieder: Unsere Grundidee von Internationalität, internationalen, nicht ausschließlich lokalen Bewegungen und Strömungen. Und wir sind nicht naiv und tun so, als könnten wir jenseits von Wirtschaftlichkeit überleben. Das Kapital für die Miete kommt dann aber aus nicht-städtischen oder -staatlichen Quellen wie Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Vermietungen. Natürlich kann man uns auch einfach besuchen kommen und sich des Angebotes bedienen.

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Das scheint ein guter Weg jenseits von Abhängigkeiten und Kommerz zu sein. Wird der denn von den heutigen Generationen so mitgegangen? Was hat sich verändert in der Nutzung der Angebote seit den Anfangstagen? Hat sich das Haus selbst verändert?

Hasan Sahin: In den 80ern wohnten hier im Viertel hauptsächlich Arbeiterinnen und Arbeiter, Rentnerinnen und Rentner, Beamte. Viele allein stehende alte Männer und Frauen. Für die waren wir eine Aufenthaltsmöglichkeit, ein Lebensraum zum Kaffeetrinken am Morgen zum Beispiel. Die Kneipen haben eine große Rolle gespielt, so unser jetziger Veranstaltungsraum, der bis vor zwei Jahren eine sehr bekannte Kneipe unter Schachspielern war. Ein Perser führte eine Kneipe, die hauptsächlich von verrenteten Beamten besucht wurde. Diese Nachbarschaftskultur wurde in den 90ern von neuen Generationen von Imbissbuden, Restaurants und Kiosken abgelöst, wobei aber nicht mehr eine solche Vermischung wie zuvor erfolgt ist – was ich recht traurig finde. Diese Mischung – westfälische Küche, persische Küche; türkische Literatur, deutsche Literatur – macht für mich sehr viel aus: Das Zusammenleben, zusammen arbeiten, gemeinsam die Freizeit verbringen und sich am besten gemeinsam engagieren. Die Küche, die Gerüche, die freudigen wie traurigen Anlässe des Lebens zu teilen… Wenn ich vor der Tür als sozusagen Pförtner des Hauses…

… und vielleicht des Viertels…


Hasan Sahin:
… stehe oder sitze, dann kann ich das nach wie vor gut leben und den Weg zum Krankenhaus oder auch nur zu einem Parkplatz weisen. Und auch das Taranta Babu hat nach wie vor so eine nachbarschaftliche Scharnierfunktion, wenn man das so sagen will. Die Klinik und der Kindergarten sind gute Nachbarn von uns. Aber die persönliche Freiheit in einem Raum über Grenzen und Funktionen hinweg mit anderen zu leben, das ist vielleicht nach wie vor die „Daseinsberechtigung“ für unseren Freiraum hier. Letztens erst kam ein neu zugezogenes Paar zu uns als erster „Anlaufstelle“ nicht für Formalitäten oder Konsum, sondern als Ort für Nachbarschaftlichkeit. Vielleicht ist das heutzutage noch wichtiger als in den Anfangstagen.

Das zeigt den Alltag im Viertel, aber es gibt vor Ort neben Büchern und ein wenig Gastronomie auch Veranstaltungen mit regelmäßigen und losen Reihen, Kooperationen im Stadtgebiet und natürlich international. „Anlässe“ anderer Art, einmal vorbeizuschauen…

Hasan Sahin: Wir beschäftigen uns natürlich intensiv mit kulturellen und sozialen Fragen und laden dazu auch Gäste ein, die Lesungen, Diskussionen, bunte Abende ausrichten. Beispiele sind eine Gruppe griechischer, eine Gruppe spanischer und eine neue, kleine Gruppe syrischer, arbeitsloser Akademiker. Die spanische Gruppe richtet neuerdings Abende aus, auf der selbstverständlich alle Nationalitäten als Gäste geladen sind. Die Syrer planen ebenso eine Reihe mit Lesungen aus Tagebüchern. Der Austausch von Lebensgeschichten und -erfahrungen aus aller Welt spielt im Taranta Babu nach wie vor eine sehr große Rolle.

Taranta Babu

Verein zur Förderung der interkulturellen Lesekultur und Medienkompetenz e.V.
Humboldtstr.44, 44137 Dortmund
Tel: 0231 141689
Mail : verein@tarantababu.de
www.tarantababu.de

 

Text: Jens Kobler.
Foto: Sabrina Richmann.