Elke Meinert
Deufrigen trifft Dortmund

Böblingen liegt mitten in Baden-Württemberg, etwa zwanzig Kilometer von Stuttgart entfernt; keine 47 000 Menschen leben dort, aber es geht noch kleiner. Keine zweitausend Seelen hat das nahe gelegene Deufringen, aus dem Elke Meinert stammt, und sie ist froh, der dörflichen Enge entronnen zu sein. Sie liebt das Ruhrgebiet, es sei, sagt sie, einfach toll, in der größten Metropole Europas zu leben,  und auch das Dortmunder Unionviertel hat es ihr angetan: „Sehr unspießig ist das hier“, sagt sie, doch halt!  Die Wahrheit ist, sie schwäbelt natürlich und bestätigt den griffigen Slogan der alten Heimat: „Wir können alles – außer Hochdeutsch!“
Die quirlige 46jährige Diplom-Kauffrau ist seit einem Vierteljahrhundert im Ruhrgebiet. Sie kam über die ZVS – Zentrale Vergabestelle für Studienplätze, die es damals noch gab – zunächst nach Essen. Kurios: Als ihr Vater sie mit dem Auto hochfährt, um mit ihr eine „Bude“ zu suchen, kommen sie in Borbeck mit einer Frau ins Gespräch, die in ihrem Vorgarten werkelt. Das Duo aus dem fernen Baden-Württemberg landet aus dem Stand einen Treffer. Die Dame hat in ihrer Wohnung ein Zimmer frei. Schwaben trifft Borbeck: Der Deal ist perfekt.
Elke Meinerts bewegtes Leben nimmt Fahrt auf.

Story aus Ocean City

Sie bleibt zwei Jahre, zieht für zwei Auslandssemester nach Dublin, geht dann zurück nach Essen – diesmal Altenessen – und hat 1995 den Abschluss in der Tasche. Bevor es nach Irland geht, fliegt sie für zwei Monate in den Semesterferien in die USA. Maryland, Ocean City. Sie arbeitet als Tellerwäscherin im Sheraton. Zur Millionärin, grinst sie,  bringt sie es damit nicht. Aber sie holt den ersten Platz bei einem Schreibwettbewerb, den ein Magazin ausschreibt.  Ihre Story aus Ocean City kommt gut an.
Es folgen diverse Jobs. Sie kann jetzt eine ganze Menge außer Hochdeutsch; eine Weile arbeitet sie bei einer Unternehmensberatung in Holzwickede. Aber das gute Geld kann nicht aufwiegen, dass sie das Fernweh nicht los lässt. Sie denkt an Selbstständigkeit. Und findet schließlich eine Kombination aus frei und angestellt sein, mit der sie leben kann. Es sei, schwäbelt sie munter, „einfach ein Vorurteil, das mit dem ‚Schaffe, schaffe, Häusle baue.’“
Sicherheit sei zwar schön und gut, meint sie, aber der Spaß und die Aufgabenvielfalt seien wichtiger.
1996 zieht sie nach Dortmund, gründet im Gerichtsviertel ihre erste WG. Sie weiß ja schon eine Weile, dass sie auch schreiben kann, und das tut sie jetzt. Sie rödelt für den Stadtanzeiger und den Wochenkurier und startet als „Freie Journalistin und Studienberaterin“ durch.

Etwas Neues beginnt

Jahrtausendwende. Etwas Neues beginnt. Für Elke Meinert auch beruflich. Sie arbeitet jetzt für eine Schüleraustauschorganisation, dann eine nächste. Führt Interviews mit potentiellen AustauschschülerInnen, betreut jugendliche Gäste aus Übersee. Berät bei allen Fragen rund um den Austausch. Einige Jahre später dann die Firmengründung. „Studying Down Under & Kanada.“
Down Under meint: Australien und Neuseeland. Sie weiß nicht mehr, wie oft in all den Jahren sie vor Ort gewesen ist, um sich Schulen und Universitäten anzusehen. „Wir achten“, sagt sie, „zum Beispiel sehr darauf, dass nicht zu viele Jugendliche aus Deutschland an einer Schule sind. Die hängen dann nur zusammen. Und das ist ja nicht Sinn der Übung.“

Preisfrage an den Profi

Mittlerweile hat sie – so schließen sich die Kreise – bei einer Firma in Stuttgart angedockt, die auf die Vermittlung von Studienplätzen Down Under spezialisiert ist. Preisfrage: Ich bin vierzehn und will für ein Schuljahr nach Sydney. Was nun, was tun? Elke Meinert vermittelt eine Schule, die sie kennt und über die sie eine Menge erzählen kann.  Provision bekommt sie allein vom Bildungsministerium. „Wir sind“, sagt Meinert, „die einzige Organisation, die für die Vermittlung keine zusätzliche Gebühr nimmt! Und das läuft ganz klasse, wir verzichten auf bunte Hochglanzbroschüren und teure Messeteilnahmen, es geht fast alles über Mund-zu-Mund-Propaganda!“
Wenn sie nicht gerade auf Reisen ist, ist sie in Dortmund in Sachen Sport und Kultur unterwegs. Kino, Theater, Essen gehen. „Als Schwäbin“, verrät sie, „bin ich natürlich mit dem Gutscheinbuch unterwegs …“

Dauerkarte zu dritt

Ein Glück, dass der Lauftreff Wischlingen das Portemonnaie nicht belastet. Auch nicht die Hobbyfußballmannschaft in Hacheney, „die einzige gemischte Mannschaft, die es hier gibt“, glaubt Meinert, die, seit sie 9 Jahre alt ist, Fußball im Mittelfeld spielt. Klar, sie hat auch eine Dauerkarte. Die teilt sie sich mit zwei anderen, „aber das machen ja viele hier, das ist nix Typisches von den Leuten aus Schwaben.“
Ansonsten reist sie gerne. Sie kennt die halbe Welt, neulich erst war sie in Guatemala, ihre ehemalige Mitbewohnerin besuchen. Aber sie kommt auch immer wieder gerne zurück. „Das ist einfach genial hier im Ruhrgebiet“, sagt sie, „die Leute gucken hier nicht so, welches Auto du fährst. Und welche Klamotten du anhast, ist auch egal.“
Trotzdem findet sie es klasse, dass Dortmund so zentral liegt und man auch schnell wieder wegkommt. Und noch eins, meint sie, sei wichtig.  Die Lebenshaltungskosten. Ziemlich niedrig seien die hier. Das müsse unbedingt auch mal gesagt werden.
Schon klar! Die Lady ist schließlich nicht nur ein Tramp. Sie ist auch aus Schwaben.

Text: Ursula Maria Wartmann
Foto: Sabrina Richmann

März 2016