Elke Menne
"Das ist absolut Heimat für mich!"

Bodenständig ist sie. Tief verwurzelt mit dem Ruhrgebiet, mit Dortmund, „ihrem“ Eving. Da ist sie aufgewachsen, in der alten Kolonie am Nollendorfplatz nahe dem „Evinger Schloss“ – das heute ganz im Zeichen von Kultur steht. Und da wohnt sie immer noch, nicht ganz am alten Standort, nein. Aber ganz in der Nähe, am Rand der Kolonie: „Wo meine Wohnung ist“, erzählt Elke Menne, „da stand früher ein katholisches Waisenhaus. Aber es sind dieselben Kirchenglocken wie damals, die ich läuten höre. Das löst Glücksgefühle in mir aus. Das ist absolut Heimat für mich!“

Sie bescheinigt auf Nachfrage, dass sie definitiv nur geeignet ist, im Ruhrgebiet zu leben. „Ich habe einfach auch die Mentalität. Ich bin offen, direkt und herzlich, so wie das den Leuten hier zugeschrieben wird.“ Sie grinst ein bisschen und lehnt sich entspannt ins Sofa zurück. „Okay“, sagt sie, „Ich weiß schon: Eigenlob stinkt …“

Mit Stahl und Kohle aufgewachsen

Sie lacht gern und viel. Sie ist 63 Jahre alt; sie ist, sagt sie, „zu Hause mit Stahl und Kohle aufgewachsen“ und hat eine steile Karriere jenseits der familienüblichen Branchen hingelegt: Sie ist bei der Sparkasse Leiterin der Geschäftsstellen-Region Innenstadt-West. Viele aus dem Unionviertel werden sie kennen: Von der Filiale an der Möllerbrücke oder an der Rheinischen Straße im Union-Carrée, aus Dorstfeld oder dem kleinen Platz in Oberdorstfeld. Die Chefin pendelt zwischen den einzelnen Filialen hin und her – allseits informiert, allseits beliebt. Immer quirlig. Immer auf Achse. „Zuerst dachte ich“, sagt sie, „ich habe gar nichts Interessantes zu erzählen, weil ich ja immer nur bei der Sparkasse bin. Aber dann habe ich gemerkt, das ist ja gar nicht so …“

Väterlicherseits waren sie alle im Bergbau. Ihr Urgroßvater, Karl Menne, liegt auf dem Ostfriedhof an besonderer Stelle. Er war Opfer des tragisches Grubenunglücks, das seinerzeit etliche Bergmänner das Leben kostete. Mütterlicherseits war man seit jeher im Westen der Stadt in Lohn und Brot, in der Eisen- und Stahlindustrie. Dortmunder Union hieß das Werk an der Rheinischen Straße; die Mutter arbeitete in der Druckerei, einige Onkel waren dort als Tischler oder Klempner beschäftigt. Beide Familien stammen aus Eving. Elke Mennes Vater war dort aktiv im Knappenverein. Seine Knappenmütze, verrät sie, „so eine schwarze mit Emblem“ liegt gut sichtbar im Arbeitszimmer auf dem Schrank. Und wenn die Sparkassenchefin in Eving mit ihrer elf Jahre älteren Schwester mal beim Italiener sitzt, steht ihr Tisch da, wo früher die Waschkaue für die Bergleute war – direkt gegenüber vom Hammerkopfturm der ehemaligen Zeche Minister Stein.

„Mein Vater war lange Betriebsrat da“, erzählt sie, „und ich als Nachkömmling hatte bei ihm einen Stein im Brett. Der war so stolz auf seine Jüngste. Ich bin als Kind oft einfach dahin marschiert und habe am Tor gerüttelt, und sie haben gerufen: ‚He, Karl, guck mal, da ist wieder deine kleine Elke!’“

(Keine Frage, dass die kleine Elke Einlass bekam.)

Wen wundert da ihr Geständnis, dass sie beim Steigerlied „immer so rührselig“ wird?!

Ganz schön weit oben

Direkt nach der Schule beginnt Elke Mennes Arbeitsleben; in der Generation der heute über 60Jährigen etwas durchaus Übliches. Die Sparkassenfiliale, wo sie sich nun täglich einfindet, liegt nur wenige Minuten von zu Hause entfernt. Sie beginnt eine Lehre als „Bürogehilfin“ – das einzige, sagt sie, was einer Frau damals offen stand. Das ändert sich Ende der 1960er Jahre. Nun ist es möglich, dass eine Frau an Karriere nicht nur denkt, sondern sie macht. Karls quirlige „kleine Elke“ fackelt nicht lange. Sie absolviert Prüfungen und Tests, besteht sie alle, macht Nägel mit Köpfen, wird erst Kauffrau, dann Sparkassen-Betriebswirtin. Da ist sie Anfang dreißig und schon ganz schön weit oben.

Eine ganze Weile arbeitet sie in der Kreditabteilung.

„Dann, Ende der 1980er war das, wurde mir ein Wunsch erfüllt: Ich konnte zurück in den Geschäftsstellenbereich.“

Das ist in trockenen Tüchern, dann geht es weiter. Schlag auf Schlag: Stellvertretende Leiterin in Derne. Leiterin der Filiale Kircherne. Seit 1994 Leiterin der Filiale Oberdorstfeld. Seit 2003 Leiterin des Geschäftsstellenbereichs Innenstadt-West. Viele werden sie kennen, von Dorstfeld, der Möllerbrücke, dem Union-Carrée …

Richtig Ressentiments erlebt

Ihr Dortmund verlässt sie nur im Urlaub. Wegfahren ist schön – zurückkommen auch. „In meiner Jugend war München unheimlich in“, erinnert sie sich, „aber das wäre nie im Leben etwas für mich gewesen. Obwohl es nicht immer einfach war, im Urlaub zu sagen, wo man herkam. Ruhrpott? Da haben die meisten früher die Augen verdreht. Als Heranwachsende habe ich da richtig Ressentiments erlebt.“

Aber was soll sein: Nur die Harten kommen in’n Garten!

Mittlerweile gibt es bekanntlich jede Menge Gründe für Ruhris, superstolz auf ihre Heimat zu sein. Highlights am laufenden Band, die „coolibri“ doppelt so dick wie die Szeneblätter anderer Metropolen – nirgends sonst in Europa gibt es soviel events und Kultur. Auch Elke Menne weiß das zu schätzen. Sie besucht das U oder das Depot, das Schauspielhaus oder die Pauluskirche in der Schützenstraße. „Den Dortmunder Tatort da zusammen mit all den anderen gucken“, sagt sie, „das klappt auch irgendwann!“

Vor einiger Zeit hat sie das Kochen für sich entdeckt – für sich. Und für andere. Als Single sind Freundschaften für sie wichtig, auch die Familie. „Meine Schwester“, rechnet sie vor, „ist genau elf Jahre älter als ich. Und meine Nicht elf Jahre jünger …“ Kurze Irritation, aber ja – passt! So kann’s gewesen sein. Für die Tochter der Nichte, die kleine Jessica, ist sie die „Tante Zoo“, und dass die Tante Zoo auch noch so lecker kochen kann: umso besser. Einmal im Monat jedenfalls tauscht die Sparkassen-Chefin die Business-Klamotten gegen die Schürze und wirbelt durch die Einbauküche. „Das entspannt mich total“, sagt sie. „Und das Equipment ist wichtig. Besonders die Messer. Seit ich so richtig gute Messer habe, macht das Ganze noch mehr Spaß.“

Die Kinder lachen immer zurück

Dass sie den auch am Leben als Gesamtkunstwerk hat, glaubt man ihr auf’s Wort. Es überrascht nicht, wenn sie den Slogan „Mein Glas ist immer halb voll“ ausgibt: Positiv denken ist ihr erklärtes Lebensmotto. Sie ist jetzt 63, ihr Blick zurück („Und ein Resümee kann ich in meinem Alter ja jetzt schon mal ziehen.“) ist kein Blick im Zorn, sondern ein Blick voller Zufriedenheit: „Im Rückblick …“, sie stutzt einen Moment, „ja: im Rückblick würde ich nichts anders machen!“

Sie war Gründungsmitglied des Vereins Rheinische Straße. Sie mag es, mittendrin zu sein, und sie mag Menschen. „Manchmal lache ich auf der Straße wildfremde Leute an. Manche lachen zurück, manche sind irritiert. Aber die Kinder …“, und jetzt strahlt sie das pure Vergnügen aus, „die Kinder, die lachen immer zurück.“

Sie, die im Leben immer neue Ziele hatte und immer auch erreichte, hat sich für die nahe Zukunft ein neues, vergleichsweise bescheidenes Ziel gesetzt: Lesen. Nicht irgendetwas, sondern etwas Besonderes. Ein Buch über, wie sollte es anders sein, Dortmund. Die Stadt, für die ihr Herz schlägt, die sie nie länger als für einen Urlaub verlassen hat. „Geschichte der Stadt Dortmund“ heißt das umfangreiche Werk.

„Das steht schon lange in meinem Regal“, verrät sie, „und ich habe es bestimmt schon tausendmal abgestaubt. Mit dem Lesen fange ich in diesem Winter an.“

 

Text: Ursula Maria Wartmann
Foto: Sabrina Richmann

Juli 2015