FAVORITEN 2016
das beste Theaterfestival der Welt

“Da bleibt dem Chef die Spucke weg”. So und so ähnlich hießen die Stücke der “Initiative Theater Dortmund / Dortmunder Lehrlingstheater”, der ersten freien Theatergruppe im Ruhrgebiet. Erklärtes Ziel der 1970 gegründeten Initiative war, politische Inhalte in den öffentlichen Raum zu tragen. Eng an reale Verhältnisse in Dortmund angelehnt, rieb man sich gern an einem “Huch AG” genannten Konzern. “Huch” war “Hoesch”, spätestens mit Übernahme der “Dortmunder Union” unumstritten wichtigster Arbeitgeber der Stadt. Wobei die Arbeiter seinerzeit unter den Folgen der mit dem Strukturwandel einhergehenden Stahlkrise besonders zu leiden hatten. Von Sparmaßnahmen und Entlassungen war in Dortmund nahezu jeder Haushalt betroffen.
Als Ende letzten Jahres die „Hoesch Spundwand und Profil GmbH“ geschlossen wurde, die letzte noch produzierende Sparte des Konzerns im Unionviertel, ging das nahezu geräuschlos vonstatten. Das heißt nicht, dass der Strukturwandel kein Thema mehr wäre. Im Gegenteil. Insofern ist es weiterhin erforderlich, dass sich – im Sinne der eingangs erwähnten Initiative – die Theaterszene politischer Themen annimmt.
Es lässt sich rückblickend sogar eine direkte Linie ziehen von FAVORITEN, dem ältesten und längst bedeutendsten Festival er deutschen Off-Szene über dessen Vorläufer “Theaterzwang” und die 1984 gegründete “Kooperative Freier Theater NRW” bis hin zur besagten Gruppe. Deren Haltung hält jetzt per FAVORITEN Einzug ins Quartier. Das bedeutet, vom 23. September bis zum 02. Oktober nicht nur die aktuell vielleicht besten und wichtigsten Produktionen der freien Theater Nordrhein-Westfalens zu Gast zu haben, sondern ein auf gesellschaftspolitisch drängende Fragen hin ausgerichtetes Programm.

Das ganze Viertel als Bühne

Holger Bergmann (Künstlerischer Leiter) und Jörg Albrecht (Dramaturg) haben als aktuelle Festivalleitung das Unionviertel bewusst zum Spielort von FAVORITEN 2016 gewählt. Im Stadtteil lassen sich auf engem Raum beispielhaft viele Entwicklungen erkennen und nachvollziehen, die zur Zeit relevant sind für das gesamte Ruhrgebiet. Das betrifft auch die Hoffnungen, welche vielerorts in die sogenannte Kreativwirtschaft als Weg aus der strukturwandelbedingten Krise gesetzt werden.
Bergmann und Albrecht werfen dabei einen selbstkritischen Blick auf die Bedeutung und die Möglichkeiten von Kultur allgemein und speziell Theater bei der Bewältigung der anstehenden Probleme. „Industrielle Vergangenheit wird von oben zu Kreativwirtschaft und Eventkultur umgewandelt und umgewertet, während drumherum und mittendrin Alteingesessene, Migrant*innen und Geflüchtete, während die Jungen, die Familien, die Alten, während Projektraumbetreiber*innen, Hartz IV-Empfänger*innen und Wohnungslose kämpfen, um ihren Alltag zu bewältigen,“ heißt es stellvertretend im Programmheft zum Festival.
Die Abgehängten werden ausgeblendet, während offiziell Erfolge eines der gesamten Bevölkerung offenstehenden Kulturangebotes gefeiert werden. Bergmann und Albrecht nennen das schlicht „gelogen“ – und laden alle Bewohner des Viertels und Besucher des Festivals ein, „sich lustvoll mit ins Geschäft des Trugs und Scheins zu stürzen.“ Sie selbst machen den Anfang und erklären FAVORITEN zum „besten Festival der Welt“.
Da FAVORITEN über kein eigenes Haus verfügt, wird in diesem Sinne gleich das gesamte Unionviertel zum Theater erklärt. Die Institutionen im Quartier ziehen mit. Gleichberechtigte Veranstaltungsorte werden u.a. das Berufskolleg sein, das Dortmunder U, das Eugen-Krautscheid-Haus, das Gast-Haus, das Haus der Vielfalt und der Union Gewerbehof (in alphabetischer Reihenfolge). Als Festivalzentrum dient ein Autoscooter hinterm U. Dort kann einem lustvoll schwindlig werden.

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Festivalprogramm und weitere Informationen unter
www.favoriten2016.de

Text: Wolfgang Kienast
Foto: Favoriten

August 2016