Horst Recklebe
Der Held vom "Heidehof"

Früher hat er mit dem Kanu Wildwassertouren gemacht, heute ist Klettern mehr sein Ding. Das hat ihm Sohn Jonas nahe gebracht. Gleitschirmfliegen findet er auch klasse. „Das“, sagte er, „kann man zur Not auch im Sauerland machen.“ Trotzdem seien andere Regionen optimaler, „die Alpen zum Beispiel. Ist schon klar, oder? Je höher die Berge, umso besser die Thermik, das trägt einen da schon ziemlich weit nach oben …“

Logo. Schon klar!

Horst Recklebe ist 67 Jahre alt, quietschfidel und putzmunter. Ein Markenzeichen sind seine Pumuckl-Haare und sein freundliches Lächeln. Als alter „68er“ hat er – politisch wie privat – ein ziemlich buntes Leben gelebt, wie’s halt so war, damals in den wilden Tagen, und dafür ist er dankbar. Sit ins und Hausbesetzungen, politische Agitation an den Unis und in den Betrieben, Musik und Liebe und flower power – und irgendwann ist er auch mal so eben von Passau nach Peking gefahren, und zwar mit dem Rad. Vierzehn Länder hat er da durchquert, 14 000 Kilometer ist er gefahren, und, was für eine Frage: Natürlich war das kein e-bike. „Wo hätte ich denn da wohl immer den Akku aufladen sollen?“

Andere Liga

Da kann man schon beim Zuhören aus der Puste kommen, aber Horst hat auch das ganz locker weg gesteckt. „Ist schon“, meint er gut gelaunt, „was anderes, als wenn du mit dem Wohnmobil aufkreuzt. Das ist eine andere Liga“ – kleines Grinsen – „die Leute denken, du bist mehr so ein armer Schlucker. Ist mehr auf Augenhöhe. Und du hast gleich eine ganz andere Kommunikation!“

Horst Recklebe ist am Tegernsee geboren, aufgewachsen ist er in Hannover, und dort – und in Lemgo – hat er auch, nach einer Lehre als Elektriker nach dem Realschulabschluss, studiert. Elektrotechnik. Viel Zeit nahm die politische Arbeit in Anspruch: Er war Mitglied im Kommunistischen Studentenverband, einer, der sich nicht den Mund verbieten ließ. Dem Professor, der seine Ingenieursarbeit betreute, gefiel das nicht: „Der war CDU und hat aus angeblich formalen Gründen meine Arbeit nicht akzeptiert.“

War er da wütend, enttäuscht? „Nö, eigentlich nicht“, meint Horst Recklebe, „die Parole war ja ohnehin: ‚Rein in die Betriebe!’“Also rein in die Betriebe! In der Folge ist er als Mitglied der Kommunistischen Partei verantwortlich für die Gewerkschaftsarbeit in ganz NRW.

Das ist total interessant

Er wird bei Ford in Köln angestellt, ist spezialisiert auf Reparaturelektrik. „Wenn so eine Bandstraße steht“, schwärmt er, „und du musst die Ursache finden, das ist total interessant!“

Ab 1975 ist er bei Opel in Bochum. Ein paar Jahre ist er mit Verena Bruchhagen zusammen, „die“, sagt er, „leitet bis heute die Frauenstudien in Dortmund.“

Er ist Anfang dreißig, als Sohn Jonas zur Welt kommt. Mitte der achtziger Jahre macht Horst Recklebe sich selbständig. „Plus – Minus“ heißt sein Laden, wo seit ein paar Jahren sein Sohn der Geschäftsführer ist. Dessen Lebensgefährtin Sylvia Jost hat in den riesigen Räumen in der Adlerstraße ihre Schreinerei. Es ist ein bunter, malerischer Hinterhof hier, an der Kreuzung zur Sudermannstraße. Vor sechzehn Jahren haben Horst Recklebe und ein paar andere das Haus gekauft, in dem früher eine Bäckerei beheimatet war, und haben es in viel Eigenarbeit fertiggemacht. Große Terrassen bestimmen die Rückfront des Hauses, voll gestellt mit Gartenmöbeln und Blumenkübeln, und wenn man in der gigantischen Maisonnette-Wohnung des Tausendsassas sitzt und vom unteren Wohnraum aus staunend in den Himmel blickt, denkt man sich: Jau, irgendwas hat der Horst da richtig gemacht!

Held des Heidehofs

Bis Ende der 1970er war er aktiv in der Gewerkschaftsbewegung. Und als der legendäre „Heidehof“ – ein Schulungsgebäude der IG-Metall in Lücklemberg – 1982 abgerissen werden sollte, da waren da eine Menge Leute vor, auch Horst Recklebe. „Wir waren so um die dreißig Leute“, sagt er, „und wir haben das Ding fast ein Dreivierteljahr gehalten.“ Trotz der Anstrengungen des Hausbesetzer-Daseins („Ich kam abends von der Opel-Schicht, und da ging die Party erst richtig los.“) erledigt Horst Sonderaufgaben. Eine davon gleich am ersten Tag der Besetzung. Da nämlich war ein Konzert geplant, „elementar wichtig, um viele Menschen in den Heidehof zu bekommen. Dadurch sollte die sofortige Räumung verhindert werden!“

Irgendwann am Abend wurde der Strom abgeschaltet, und da war sein know how als Fachmann gefragt. Subito! Es mussten neue Sicherungen her, die gab es bei Opel, doch es war spät, und der Laden war zu. „Ich“, sagt Horst“, „also nach Bochum, am Pförtner vorbei. Hab gesagt, Schlüssel vergessen …, die Nummer, klar, oder? Und dann den richtigen Schrank angesteuert und klammheimlich die Sicherungen gegriffen …“

Horst, der Held des Heidehofs: Die Party konnte weitergehen.

Früh übt sich

Als Junge vom Tegernsee ließ ihn trotz der vielen Reisen die Sehnsucht nach den Bergen nie los. In Hessen hat er vor einigen Jahren ein altes Fachwerkhaus gekauft, „da trittst du raus und bist direkt an der Lahn. Das ist so ein bisschen ein Kompromiss für mich, die Landschaft da mit ihren Hügelketten.“ In dem Haus wohnt ein befreundetes Paar, die Scheune hat er für sich selbst ausgebaut, aber wenn ihn so richtig das Fernweh packt, schwingt er sich aufs Rad.

Lange Reisen, verrät er, macht er meist allein, eine der letzten langen Touren hat er mit seinem Freund Wolfgang Lammert in die Mongolei gemacht. Die Route war nur ungefähr festgelegt. „Nur wenn du auch durch das Ungewisse gehst, hast die die Chance, Land und Leute kennen zu lernen.“

Den Winter über hält er sich mit Klettern in der Halle fit. Sein Enkel, der kleine Marlon, tritt schon in seine Fußstapfen, und zwar in der Adlerstraße. Da hat sein Opa ihm ein ganzes Zimmer unterm Dach eingerichtet. Mit Kletterhilfen an den Wänden, Seilen und sonstigem Zubehör. Früh übt sich eben, wer ein Horst werden will …

Nur eins ist dann doch in diesem prallen und bunten Leben. „Bei der Liebe“, sagt Horst, „da hab ich eine Kontinuität nie hingekriegt.“ So ist es. Ja, so kann es sein, das Leben …

 

 

Text: Ursula Maria Wartmann

Foto: Sabrina Richmann

 

Herbst 2015