Hyvä
Unikate machen den Unterschied

Sticken – eine klassische Handarbeitsdisziplin, die genau wie das Stricken längst Einzug in die industrielle Produktion gehalten hat. Beide Techniken sind omnipräsent, doch liegen gerade Stickereien eher am Rande einer bewussten Wahrnehmung. Die Arbeiten von Monika Korolczuk, Unikate und Kleinstauflagen unter dem Label Hyvä, finden dennoch die verdiente Aufmerksamkeit.

`Hyvä´ ist finnisch und heißt `gut´. “Mein Lebensgefährte stammt aus Finnland”, erklärt Monika Korolczuk den unorthodox klingenden Namen. “Mir hat das Wort von Anfang an gefallen. Im Nachhinein wäre `Stickfabrik´ vielleicht die schlauere Wahl gewesen. Ich habe Kunden aus der Automobilbranche und der Motorradszene, ich glaube, die können mit `Hyvä´ nicht allzuviel anfangen. Aber mittlerweile bin ich unter dem Namen bekannt. Es würde wenig Sinn machen, ihn jetzt zu ändern.”
Monika Korolczuk, in Dortmund geboren und aufgewachsen, studierte an der Fachhochschule der Stadt Grafik und Design. Als sie dort im Jahr 2007 ihr Diplom machte, hatte sie sich mit Stickereien noch nie beschäftigt. “Nein, überhaupt nicht”, lacht sie. “Das kam erst nach dem Studium. Ein Freund hat eine Sattlerei. Der suchte damals jemanden im Bereich Grafik und Gestaltung. In dem Betrieb gab es eine Stickmaschine, mit der sich allerdings niemand wirklich auskannte. Für einige Aufträge wurde sie aber dringend benötigt. Die Aufträge kamen vor allem aus Russland. Es ging um Logos. Ich vermute beinahe, in der Firma hatten alle gedacht, so eine Stickmaschine würde das von allein erledigen. Die ist aber komplizierter zu bedienen, als man denkt. Selbst für ein ganz einfaches Logo muss man das entsprechende Bild noch speziell bearbeiten. Dafür läuft auf einem Rechner ein komplexes Stickprogramm.”

Sticken ist digital geworden. Vom Klischee einer älteren Dame mit Stickrahmen im Ohrensessel hat man sich zu verabschieden. Und so hip wie Stricken  – seit einigen Jahren über handgearbeitete Einzelstücke auf dem Weg von der Street-Art in die Galerien –  ist Sticken auch nicht. Meist werden in Großbetrieben Logos, Namenszüge, Kürzel oder grafische Muster in hoher Auflage auf einen einheitlichen Trägerstoff gebracht. Hier macht es beispielsweise einen enormen Unterschied, ob dieser aus Seide besteht oder aus Leder. Und das sind nur zwei exemplarische Möglichkeiten einer ganzen Palette vorzugebender Parameter, doch auch ein Laie begreift sofort, dass es mit Sicherheit das Ende eines feinen Gewebes wäre, würde ihm eine Maschine mit dem Programm `Leder´ zu Leibe rücken – unabhängig von der Größe des Betriebes.
Allerdings lassen sich in die Abläufe einer üblichen Massenproduktion weder Unikate noch kleine Editionen wirtschaftlich sinnvoll integrieren. Eine Lücke, in der sich Monika Korolczuk eingerichtet hat. Sie kann dem Ehrenvorsitzenden eines Schrebergartenvereins ein Abzeichen mit Möhre und Radieschen an die Kappe sticken oder ein großformatiges Familienwappen auf die Flagge fürs Heck einer Yacht – ein Auftrag, mit dem sie kürzlich erst betraut worden ist. “Das sind die spezielleren Fälle”, sagt Korolczuk. “Viel öfter habe ich es damit zu tun, für die Gastronomie Logos auf Schürzen zu bringen. Ich arbeite auch mit einer Manufaktur in Bielefeld zusammen. Für den Kunden sticke ich einzelne Initialen. Das ist natürlich nicht sonderlich kreativ. Zum Ausgleich mache ich nebenher meine eigenen Sachen.”

Zu diesen `eigenen Sachen´ zählen Ketten in Form von Blüten und Blättern, Schmuckstücke, die um den Hals getragen werden können. Andere hängen als Bilder und Collagen in Mischtechniken an der Wand ihres Ateliers. Es sind die Ergebnisse von Experimenten. “Als ich mir die Maschine angeschafft habe, war mir gar nicht bewusst, dass es auch möglich ist, Papier zu besticken oder die Folien, die ich als Trägermaterial bei den Ketten nutze.” Sie hat ein Verfahren entwickelt, Muster oder Formen auf eine spezielle Folie zu bringen und diese anschließend per Bügeleisen überall dort wegzuschmelzen, wo nichts gestickt ist. Übrig bleiben reine, freistehende Motive. Ungewöhnlich bei einer Textiltechnik, bei der sonst das Trägermaterial untrennbar zum Produkt gehört. Aus den so gewonnenen Segmenten fertigt Monika Korolczuk ihre unikalen Accessoires.

Träger bei den Collagen ist Löschpapier, welches sie mit Acrylfarbe bearbeitet. Als primäre Motive nutzt sie meist Fotografien und arbeitet am Rechner deren vier bis fünf wichtigen Bildebenen heraus. Das Stickprogramm lässt sich in dieser Hinsicht ähnlich einsetzen wie Fotoshop. Anschließend können die Grafiken aus den Dateien auf Papier, Folie oder Stoff übertragen werden.
Gehören ihre Collagen in den Bereich der Bildenden Kunst? “Ich glaube, da scheiden sich die Geister, weil eine Maschine beteiligt ist. Von meiner Seite aus hätte ich gar nichts dagegen, mit den Arbeiten später einmal eine Ausstellung zu bestücken. Aber selbst, wenn sich das nicht realisieren lassen sollte, kann ich auf diese Weise wenigstens meine kreative Seite ausleben.”

Ihr kleines Atelier gehört zum Union Gewerbehof. Nicht weit entfernt, an der Sudermannstraße, lag ihre erste Werkstatt. Hier hatte sie sich 2011 mit Hyvä selbständig gemacht. “Ich hatte während des Studiums diverse Praktika absolviert. Ehrlich gesagt, das hat sich nicht gut angefühlt. In einer Agentur habe ich mich nie gesehen. Ich brauche meine Selbständigkeit.” Im Haus an der Sudermannnstraße gab es leider ein Problem mit Feuchtigkeit an den Wänden, das machte ihr das Arbeiten dort auf lange Sicht unmöglich. Im Viertel an der Rheinischen Straße wollte sie unbedingt bleiben: “Ich bin in Dortmund groß geworden und kenne mich in der Stadt aus. Im Norden und Westen sind die Mieten niedriger als im Süden oder Osten. Als Startup zieht es einen automatisch dahin. Wenn man außerdem kreativ ist, findet man im Union-Viertel genau die richtigen Bedingungen.”

Hyvä – Stickfabrik
Huckarder Straße 10 – 12
44137 Dortmund

www.hyvae.de

Text: Martini (Wolfgang Kienast)
Fotos: Daniel Sadrowski

Mai 2015