Katharina Bock
Emil Nolde war auch da

Seit zwanzig Jahren ist sie selbständig als Bildhauerin, und sie war, glaubt sie, wahrscheinlich „eine der ersten, die hier im Viertel ein Atelier hatten.“ Nichts Besonderes für die eigenwillige und selbstbewusste 47Jährige, die, nomen est omen, mit einem schnittigen Kleinlaster durchs Quartier und überhaupt durch die Weltgeschichte braust, der ihren Nachnamen im Schriftzug witzig persifliert. „Alles was Bock macht“ steht auf dem Kastenwagen, und das, sagt Katharina Bock, „ist sozusagen auch mein Lebensmotto. Gut, mein Lebensweg war nicht immer gradlinig. Aber“, kleines Schulterzucken, „spielt das eine Rolle? Wichtiger ist: Er hat mich zu dem geformt, was ich heute bin!“
Und das ist sie heute: Zwischen Flensburg und München ist sie eine gefragte Frau, die vom Entwurf bis zur Aufstellung bildhauerische Aufträge übernimmt und professionell ausführt. Früher war das anders. Außenseiterrolle. Schrillere Klamotten als die anderen Mädels an der Schule. Getuschel hinter ihrem Rücken. Unsicherheit. Und doch schon mit zehn Jahren die klare Gewissheit: Ich will Bildhauerin werden. Sie sei, bekennt sie mit einem kleinen, selbstkritischen Seufzen, immer Rebellin gewesen und habe lernen müssen, trotzdem zu bestehen.
Das macht stark.

Die jüngste von vier Schwestern

Sie ist die jüngste von vier Schwestern, die Mutter Lehrerin, der Vater Lehrer … Man lebt beschaulich in Bövinghausen, und so sehr „amused“ ist man nicht im Hause Bock, als die Jüngste klar formuliert, dass „die Schule einfach nicht meins“ ist. Keine Frage, dass sie trotzdem ihren Weg macht. Sie zieht 17jährig nach Bochum ins legendäre Heusnerviertel – die drei Straßenzüge, die von meist jungen Leuten besetzt sind, werden später dann doch abgerissen – („Das war eine tolle und extrem bunte Zeit!“), schmeißt kurz vor dem Abitur hin und findet am Schauspielhaus in Bochum für ein Jahr einen Praktikumsplatz in der Bühnenplastikerwerkstatt. Ihr Fachabitur hat sie danach auch in der Tasche. Alles anders gemacht. Und trotzdem: Alles richtig gemacht.
Und sie weiß auch schon, wie ’s weitergeht.
Weiter geht es in Flensburg. Davon hat sie gehört. Dass es dort diese alteingesessene Werkkunstschule gib, heute 125 Jahre alt, und eine ganz besondere Adresse: „Emil Nolde war auch da.“

Hohes Niveau

Hoch im Norden unter dem weiten Himmel lebt und arbeitet sie ab 1991 drei Jahre lang. Die Werkkunstschule genieße bundesweit einen ausgezeichneten Ruf, erklärt die Künstlerin. „Man reproduziert da nicht nur, man entwirft und gestaltet auch selbst. Die anspruchsvolle Anleitung ist auf hohem handwerklichem und künstlerischem Niveau. Das hat uns enormes Vertrauen in uns selbst verschafft, ein breites Wissen außerdem und ein
sehr solides handwerkliches Können.“
Nach drei Jahren ist es dann amtlich: Die Handwerkskammer Flensburg verleiht ihr den Gesellinnenbrief – ein sehr besonderer Moment. Wie geht es weiter? Und: Was braucht man überhaupt, um als Bildhauerin zu arbeiten?
Katharina Bock muss nicht lange überlegen. Als Grundvoraussetzung nennt sie: Empathie. Talent natürlich, Hartnäckigkeit. Fantasie und einen starken Willen. „Die Arbeit ist körperlich oft ganz schön anstrengend, aber in dem Moment vergisst du das.“ Sie grinst. „Adrenalin“, erklärt sie, „kennt man ja. Da geht es nur noch darum, die nächste Herausforderung zu meistern.“

Zurück Richtung Pott

In der Folge geht es zurück Richtung Pott. Flensburg, findet sie, „ist zwar sehr süß, aber ich hatte da keine berufliche Perspektive als Bildhauerin. Diese extreme Randlage und das kleinstädtische, das war es auch nicht so.“
Dortmund war es Mitte der 1990er dann jedoch auch nicht so. „Gegen Flensburg fand ich es hässlich, ich musste echt wieder lernen, den Charme hier zu schätzen.“ Nach einem kürzern Gastspiel in Körne dockt sie im Unionviertel an, als es noch gar nicht so heißt. Zehn Jahre lang 300 Quadratmeter in der Adlerstraße. 2010 dann der Umzug in die Rheinische Straße. Ein Hinterhof. Viel Platz in einem ehemaligen Elektrikerbetrieb, wo einst Schaltschränke gebaut wurden. Davor befand sich an diesem Ort eine Hufschmiede für Brauereipferde.
Katharina Bock mag es, sich an diesem historischen Platz und zwischen all den alten Geschichten zu bewegen, dort zu arbeiten, wo vor ihr schon viele andere geackert und gerackert haben. Sie darf hier auch ausbilden, sie ist ein Betrieb von nur zweien der Branche in ganz NRW, die das dürfen. Ihre Auszubildende wurde übrigens Landesmeisterin im Holzbildhauerhandwerk.

Wenn das Eis langsam schmilzt

Gerade hat sie die Restaurierung eines Dachstuhls in Hattingen abgeschlossen; drei Monate hat es gedauert, die Schnitzereien an dem historischen Giebel wiederherzustellen. St. Nikolai in Dortmund, wo zur Weihnachtszeit eine Krippe der Künstlerin aufgestellt wird („Die größten Figuren sind sechzig Zentimeter hoch.“), wird mit zwei weiteren Schäfchen beglückt. Und am Körner Hellweg stehen Reparaturarbeiten an. Sonnengott Helios steht zwei Meter hoch auf seinem Sockel und braucht frische Gold-Fassadenfarbe, was nicht alle begeistern wird. „Der Helios polarisiert. Die einen schreiben mir Fanpost, und die anderen sind die Hasser.“
Katharina Bock arbeitet mit verschiedenen Materialien. Sie stellt aus Styropor überdimensionale Plastiken für Karnevalswagen her (zuletzt in Mainz), sie entwirft und realisiert Bühnenplastiken, arbeitet im Auftrag großer Firmen (zum Beispiel Puma; in Zürich zierte damals ein riesiger Turnschuh das Gelände der Leichtathletik-EM). Sie fertigt Gartenskulpturen oder Siegestrophäen (zum Beispiel für die Beach-Volleyball-WM in Rom). Und sie macht in Eis, genauer: in Eisskulpturen, demnächst in Hamburg, neulich auf Sylt. „Das ist meistens für irgendwelche Veranstaltungen, und das geht auch im Sommer. So ein Teil muss ja nur ein Event lang halten, und das ist ein spannender Prozess, wenn das ganz langsam schmilzt.“ Ein Wettbewerb von Bofrost in Straelen am Niederrhein bringt sie 1996 auf die eiskalte Schiene. Sie gewinnt den 1. Preis. Kontakte und Aufträge folgen.

Aktiv als „Pferdeflüsterin“

In Weimar steht eine Keramikbüste von ihr, die zeigt den Vorsitzenden Richter a. D. am Bundesarbeitsgericht in Berlin, Franz-Josef Düwell. Düwell? Den Namen kennt man doch von hier! Genau. Der Bruder ist der, wo es an der Rheinischen Straße die superleckeren Kuchen gibt – und der hat seinem Bruder die Büste zum 65. Geburtstag geschenkt …
Seit zwölf Jahren ist Katharina Bock mit Horst Kaltenbach liiert, der ganz eigentlich aus dem Schwarzwald kommt. Sie hat ihn über eine Freundin kennen gelernt, und da Horst stolz auf seine Liebste ist, ruft er ihr schnell zu, was sie in jedem Fall noch berichten soll: die Ausstellung in Hagen. Die Galerie Nova! Deren Gästebuch zieren berühmte Namen, bei den Vernissagen stehen die Menschen auch mal bis auf die Straße Schlange, und dort wurden 2006 in einer Gemeinschaftsausstellung Skulpturen von Katharina Bock und grafische Werke von Emil Schumacher gezeigt. Ein Ritterschlag für Bock, die eben alles, was Bock macht, macht – sie stellt bundesweit in Galerien Skulpturen und grafische Arbeiten aus – und sich gar nicht wunderte, wie gut ihre Werke zu denen des berühmten, 1999 auf Ibiza verstorbenen Malers passten. „Wir sind im gleichen Monat geboren“, sagt sie, „nur zwei Tage nacheinander. Ich glaube schon, dass da eine Menge Übereinstimmung zwischen zwei Menschen ist.“
Und dann ist da noch ein Pferd. Auch etwas, was Bock macht. Das Pferd steht in „Robusthaltung“ in Herdecke, ein offener Stall und erfreutes Wiehern, wenn die Halterin aus Dortmund mehrmals in der Woche vorbeischaut. Dann geht es über Stock und Stein. Zurück auf der Weide wird abgesattelt. Und dann wird Katharina Bock als Pferdeflüsterin („natural horsemanship“) aktiv: „In der Körpersprache des Pferdes kann ich mich auf Augenhöhe mit ihm unterhalten.“ Zugang sei so auch zu schwierigen Pferden möglich. Das hat sich herumgesprochen. „Es kommen“, sagt Katharina Bock, „immer öfter Leute vorbei, die diese Art der Kommunikation lernen wollen. Und spannend für die eigene Persönlichkeitsentwicklung ist das Pferdeflüstern auch.“

Text: Ursula Maria Wartmann
Foto: Daniel Sadrowski

Juni 2016