Int. Frauenfilmfestival
Silke J. Räbiger, Leiterin des Internationalen Frauenfilmfestivals, im Interview

„Mal eckt man an, mal entwickelt es sich reibungslos.“

Von Filmprogrammen für Schulklassen bis zum Multimediakonzert „Remember the Remembering“ von Cecilia Kim hat das Internationale Frauenfilmfestival im April 2015 eine bewundernswerte Palette an Angeboten parat: Spaziergänge durch das Viertel stehen neben einer langen Filmnacht im domicil; der Dortmunder Kunstverein präsentiert eine Ausstellung und der Hartware MedienKunstVerein beschäftigt sich mit Video-Tutorials. Filme im Programm beschäftigen sich mit Riot Grrrls, Familien- und Arbeitsmodellen oder sind Stummfilme von vor 100 Jahren. Silke J. Räbiger beantwortet im Interview die nahe liegenden Fragen zum Festival mit dem diesjährigen Fokus auf das Thema „Komfort“.

Das Internationale Frauenfilmfestival findet 2015 unter dem Motto „Komfort“ statt. In Ihrer Begrüßungsschrift zum Festival schreiben Sie dazu, dass viele der gezeigten Filme „raus aus der Komfortzone“ führen. Und dies zu Themen wie der Arbeitswelt von Frauen im Ruhrgebiet, Elektrosmog oder dem kälter werdenden sozialen Klima. „Rein oder raus aus der Komfortzone?“ sei die Frage des diesjährigen Festivals. Ist dies auch eine Frage nach gesellschaftlichem Engagement vs. eingeigelter Konsumhaltung? Oder geht es eher um ein Gegensatzpaar wie Globalisierung vs. Nestwärme?

Silke J. Räbiger: Das Festival hat sich ein Thema gegeben und dazu haben wir eine Filmauswahl zusammengestellt, die sehr unterschiedliche Facetten des gesellschaftlichen Lebens beleuchtet. In den Filmen wird nicht vordergründig zu Aktivitäten aufgerufen, vielmehr haben wir es mit Filmen zu tun, die intensiv beobachten, Stimmungen einfangen und ihre Protagonist/innen respektvoll begleiten. Die Schlussfolgerung liegt bei den Zuschauer/innen. Hier etwas vorzugeben ist meist nicht die Intention der Filmemacher/innen, aber alle Filme haben eine klare Haltung. Gesellschaftliches Engagement erscheint mir persönlich unabdingbar.

Globalisierung vs. Nestwärme wäre für mich kein Gegensatzpaar. Zurückgefragt: Wie sollten wir denn der Globalisierung die Stirn bieten oder mit ihr leben, wenn wir nicht über Selbstgewissheit und Stärke, die aus eben dieser „Nestwärme“ resultiert, verfügen würden?

Die Lage in der hiesigen Filmindustrie ist, wie andernorts auch, gespannt. In der aktuellen Ausgabe von „Politik & Kultur“ z.B. wird von einigen gefordert, die Bindung von Kino- und Fernsehproduktion aufzugeben, um dem Kinofilm als solchem wieder mehr gerecht werden zu können. Dazu sind teils auch andere Fördermodelle als die aktuellen angedacht. Wie ist beim IFFF die Relation zwischen institutionell und privat finanzierten Filmen, zwischen „Kinofilm“, „TV Film“, „Experimentalfilm“?

Silke J. Räbiger: Wir sind ein internationales Filmfestival und die Fördersituation in anderen europäischen Ländern oder in anderen Kontinenten unterscheidet sich eklatant von dem unseren. Insofern kann ich dazu keine Aussagen machen. Wäre unser Fernsehen mutiger, dürften und könnten Filmemacher/innen und Bildgestalter/innen für die große Kinoleinwand arbeiten, würden etwas weniger Redakteur/innen und/oder Produzent/innen bei einem einzigen Projekt einbezogen sein, die Lage wäre dann schon entspannter. Insgesamt läßt sich aber sagen, dass die großen dokumentarischen Formate für die Kinoleinwand einen schweren Stand haben, Hier geht zumindest in Deutschland der Trend eher zum Fernsehfeature.

Wie schwierig oder einfach ist es heutzutage, ein solches Festival durchzuführen?

Silke J. Räbiger: Ein Filmfestival muss viele Interessen bedienen: Zuerst den eigenen Anspruch an Qualität, dann die Wünsche der Gäste und die Erwartungen der Geldgeber und Sponsoren, das ist schwierig unter einen Hut zu bekommen. Mal eckt man an, mal entwickelt es sich reibungslos. Letztendlich geht es um ausreichende Mittel, die sind für Kultur traditionell knapp. Dann geht es auch darum, ein engagiertes, gegen den Mainstream zusammengestelltes Programm an den Mann und die Frau zu bringen. Das ist durchaus ein schwieriges Unterfangen.

Können Sie spezielle Programmpunkte im Unionsviertel empfehlen?

Silke J. Räbiger: Zum einen gibt es natürlich die Veranstaltungen im U, z.B. den „Electrical Walk U“ von Christina Kubisch. Was die städtebauliche Umgestaltung des Unionsviertels betrifft, zeigen wir Filme wie „Alimentation Générale“ von Chantal Briet und „Was wir nicht sehen“ von Anna Katharina Wohlgenannt, aber auch die Reihe „Mobilisierung der Träume“.

Internationales Frauenfilmfestival 2015

IFFF2015_Was_wir_nicht_sehen_Kubisch

Vom 14.-19. April 2015 im Dortmunder U, im Dortmunder Kunstverein, der Schauburg, dem Mercure Hotel, dem domicil und dem CineStar.

Das vollständige Programm unter www.frauenfilmfestival.eu

Text: Jens Kobler
Fotos: Frauenfilmfestival