Marc Suski
Einer aus der alten Riege

Stadterneuerung Dortmund 2014. Nach längerer Debatte im Amt steht fest: Marc Suski macht das Rennen. Sein Auftrag: die kreative Farbgestaltung der Nordwest-Passage an der Brinkhoffstraße, dieser düsteren Unterführung hinter dem U, die vom Unionviertel in rasanter Abfahrt Richtung Nordstadt führt. 1500 Quadratmeter Fläche wollen beackert sein. Suski steht irgendwann davor und denkt nur: „Du liebe Güte.“ Er holt sich Verstärkung. Seinen Freund Martin Dippel, der, erzählt Suski, macht so was öfter im Jahr. „Der airbrushed (bedeutet: Malen mit der Sprühdose) zum Beispiel Jumbo-Jets für die Scheichs in Dubai oder macht Speziallackierungen für Fluggesellschaften in den USA.“ Für Suski war das Projekt, gesteht er, „geradezu überwältigend in dieser Dimension. Aber wir haben das hingekriegt.“

Da fehlt noch ein Punkt

In diesem Sommer hat Marc Suski wieder was hingekriegt. Im Rahmen der Emscherkunst hat er das Projekt „Respekt“ realisiert. Ebenfalls in dieser (schon viel weniger düsteren) Unterführung – und diesmal im Eingangsbereich zum Westen hin. Bilder und Schriftzeichen aus verschiedenen Kulturen sind es geworden, die allesamt vom Respekt handeln. Ein jüdischer Sinnspruch, sagt Marc Suski, sei federführend gewesen: Die Sonne scheint für jeden umsonst. Will heißen: Jede Lebensform, jede Kultur, jede Religion hat im Grundsatz ein Recht darauf, nicht nur toleriert, sondern auch respektiert zu werden. Drei Sommerwochen arbeitet Marc Suski, umtost von Verkehrslärm und Abgasen, hier unten. Viermal, erzählt er, halten Polizeiwagen an: „Die dachten, ich bin hier illegal mit der Sprühdose unterwegs.“ Ist er nicht; im Gegenteil: Er verabscheut die Tagger, die ungebremst ihre Duftmarken auf öffentliche oder private Flächen setzen, er findet das „faschistoid“.
Auch die Polizei staunt.
Respekt!
Viele Gespräche gibt es in diesen arbeitsintensiven drei Wochen, viel Zuspruch von den unterschiedlichsten Menschen. „Einmal“, erzählt Marc Suski, „kam ein älterer Herr vorbei, als ich gerade Respekt auf arabisch gemalt hatte: ‚Haben Sie das geschrieben?’ Ich dachte, uuui, jetzt gibt es Stress, aber nichts da. ‚Da fehlt noch ein Punkt!’, meinte er nur ganz friedlich.“

Alte Techniken

Heute heißt der Beruf Werbetechniker; damals, als der heute 44Jährige ihn lernt, macht er die Ausbildung zum „Schilder- und Lichtreklamehersteller.“ Das ist nach der Mittleren Reife, er ist 17 und fährt von Dortmund-Lichtendorf (ganz weit im Süden) jeden Tag mit dem Rad nach Iserlohn. Dortmund-Schüren ist die Etappe danach. Er will „nicht immer nur Farbe in die Druckmaschine nachkippen“, er will mehr. Eigene Ideen umsetzen zum Beispiel. Das geht in Schüren. Er arbeitet mit Leuchtstoffröhren, entwirft Leuchtreklamen für Firmen, Versicherungen, die Gastronomie, setzt alte Frakturschriften, Schmiedeeisen, Plexiglas ein. „Wahrscheinlich bin ich einer der letzten, der Schriftzeichen malen noch von Hand gelernt hat. Ich finde das schön, dass ich als einer von der alten Riege solche Techniken noch kann.“
Er kann auch noch Vergolden, vor und hinter Glas – eine Fertigkeit, die in Zeiten von PC und 3D-Drucker rar geworden ist.

Der Bufdi hieß Zivi

Bevor er beruflich durchstartet, leistet er seinen Zivildienst ab. Die Zeiten sind schnelllebig; Zivis heißen heute Bufdis, aber ihre Aufgaben sind die gleichen geblieben. Zivi also damals in Aplerbeck. Vierzehn Monate Behindertenfahrdienst. Betreuung alter oder hilfloser Menschen, Einsatz bei Hausnotrufen. Das sei sehr prägend gewesen, sagt er. „Das hat meine Sozialkompetenz definitiv gestärkt.“ Er überlegt damals, ob er in die Richtung beruflich weitermachen soll, aber dann kommt ein Anruf von seinem Lehrbetrieb: Personalnotstand – ob er nicht … Zumindest für einen Sommer? Aus dem Sommer werden sechs Jahre. Fachabitur, Studium Grafikdesign – die Ideen fallen irgendwie hinten herunter. „Macht aber nichts“, sagt Suski, „so wie es ist, ist es gut!“

Neue Wege

Kurz vor Weihnachten 1999 startet er in der Nordstadt durch. Die Firma ist noch klein, aber sie wächst rasant. Ein Zufall hilft dabei: Eine „Muckibude“ ordert Werbung für ihren Laden in Bochum und startet ihrerseits mächtig durch. Erst Expansion im Ruhrpott, dann Filialen in ganz Deutschland, später auf Mallorca, in Polen, Österreich … Und dann, 2010, die Katastrophe in Duisburg; die Firma ist Hauptsponsor der Loveparade. Ein Jahr vorher ist Marc Suski schon gegangen. Sein Job hat sich im Lauf der Jahre zu einem Schreibtischjob entwickelt. Das fühlt sich komisch an. Das will er nicht mehr.
Er sucht nach neuen Wegen.
Es ist ein Risiko, aber er kündigt. Macht sich seine Kompetenzen klar, nimmt gerne die Fördermöglichkeiten des Arbeitsamts an. Coaching, Seminare, Gründerkredite. „Trotzdem hatte ich ganz schön Muffen.“ Eine ganze Weile schläft er schlecht. Aus einem sicheren Job heraus in die Selbständigkeit, „das“, sagt er, „war schon eine unglaublich elementare Entscheidung.“ Schlaflos ist er damals ganz ohne Grund. Aber so was weiß man eben immer erst hinterher …

Tagesgeschäft

Er findet seinen Platz im Union-Gewerbehof, eine Wohnung im Althoffblock und heißt nun „Marc Suski Gestaltung“. Sein Kundenstamm wächst. Promis sind darunter, wie Frank Otto (Otto-Versand Hamburg) mit einem Plattenlabel. Große Aufträge flattern ins Haus, er macht sich in der Szene einen Namen. Und dann ist da das Tagesgeschäft. Das sind etwa Drucksachen oder Visitenkarten, Beschriftungen für den Kunstverein oder das U, Autobeschriftungen, Wegweiser und Leitsysteme. Die Herausforderungen sind vielseitig, und genau das ist es, was Marc Suski an seiner Selbständigkeit schätzt.
Sein Schreibtisch steht in einem großen Raum, wo zwei weitere Kolleginnen sitzen und zwei Hunde meistens, na ja, liegen. Einer davon, ein französischer Hütehund namens Jako, ist erst ein Jahr alt und sieht jetzt schon so aus, als könnte Marc auf ihm zur Arbeit reiten. Nicht sehr handlich eben; aber der Kleine sei eine Seele von Hund, versichert der stolze Besitzer.

Mal die Berge, mal das Meer

Wann immer Zeit ist, stromert er mit Jako durch die Natur, woran in Dortmund bekanntlich kein Mangel herrscht. Und Jako liebt es, im Camper mitzufahren. Der Bulli bringt Herrn und Hund mal in die Berge, mal ans Meer. Marc Suski reist gerne, aber zum Leben und Arbeiten hat er es nur von Lichtendorf bis in die City geschafft. „Echt jetzt: Welche Notwendigkeit gibt es denn, hier wegzugehen?“
Zumal hier auch viele seiner Freunde leben, die ihn als Sänger und Gitarristen kennen. Er liebt die Musik der Post-Punk-Ära und tritt immer mal wieder mit einem kleinen, feinen Programm in Erscheinung. Im Stadion sieht man ihn eher nicht. Er sei, bekennt er und legt die Hand auf sein Herz, natürlich BVB-Fan, aber nicht in „letzter Konsequenz.“
Die letzte Konsequenz, das wäre eine Dauerkarte. Die hat er nicht, aber, so der überzeugte Dortmunder Jung: „Eins ist doch logisch. Natürlich supporte ich unseren Fußballverein!“

Text: Ursula Maria Wartmann
Foto: Sabrina Richmann

Oktober 2016