Neu und Konter
über das Netzwerken

Netzwerken wird dieser Tage groß geschrieben, ob privat oder beruflich. In allen größeren Städten weltweit sprießen Networkingevents aus dem Boden. Digital wird der Gedanke von Plattformen à la Xing und LinkedIn aufgenommen. Ein essentieller Bestandteil des Erfolgs scheint also das Netzwerk zu sein. Doch stimmt das? Hat derjenige Erfolg, der am besten netzwerkt?

Jan W.: Wagner-van der Straten und Daniel B. Buchholz vom Gestaltungsbüro Neu und Michelle F. Flunger sowie Sascha S. Schilling von Konter suchen im Interview die Antwort und sprechen über ihr Netzwerk, ob es wichtig für sie ist und wo sie Unterschiede zu anderen sehen.



Wie habt ihr euch kennengelernt?

Daniel B.: Wir haben euch kennengelernt, als ihr unser Sofa abgeholt habt.
Michelle F.: Stimmt. Das ist der Netzwerkgedanke schlechthin.
Jan W.: Kurz zur Erklärung. Als Sascha S. und Michelle F. damals mit Für Hier (Anm. d. Red. Für Hier ist eine interkulturelle Veranstaltungsreihe in Dortmund) starteten, brauchten sie noch ein paar Dinge für die Veranstaltung. Unter anderem ein Sofa und da wir ein schönes Sofa haben…
Sascha S.: Ihr habt sogar erst angeboten, die Flyer und Plakate zu bezahlen, die hat allerdings schon Koeperherfurth bezahlt. Da habt ihr als Neu das Sofa gesponsert, was wir dann ganz netzwerkmäßig mit dem Transporter des Adler59s abgeholt haben. (lacht)
Jan W.: Der zweite Kontakt war dann, als du gefragt hast, ob jemand helfen kann das Sofa wieder hochzutragen. (lacht)

 

Das ist ein produktives Beispiel, aber was bedeutet Netzwerken in Dortmund?

Sascha S.: Ich glaube, zu netzwerken in Dortmund, bedeutet – genau wie alles andere in Dortmund –zu reden und Bier.
Daniel B.: Das ist ein kleines Designerdorf hier. Man geht zu Veranstaltung, trinkt ein Bier zusammen, kommt ins Gespräch.

 

Gibt es Unterschiede zwischen dem Ruhrgebietsnetzwerk und dem in anderen Städten?

Sascha S.: Ich glaube, Dortmund ist ziemlich gebündelt. Was Berlin über die ganze Stadt verteilt hat, ist in Dortmund gefühlt um den Hohen Wall. Wir sind im Vergleich zu München, Hamburg und Berlin die kleinste Stadt. Dort sind eher Viertel bezogene Szenen.
Jan W.: Im Vergleich zu anderen Städten, sind die Leute hier nicht auf Konfrontation aus oder haben Angst, dass man sich gegenseitig die Jobs wegnimmt.
Sascha S.: Als wir in Hamburg waren, ist mir auch aufgefallen, dass die Menschen hier in der Szene netter zueinander sind. Dort funktioniert das alles nur über Namedropping. Vielleicht nehmen wir uns aber auch einfach nicht so ernst.

 

Das klingt als sei das Netzwerk ein Designer internes?

Daniel B.: Nein, es gibt natürlich auch ein Netzwerk zu den kulturellen Einrichtungen.
Sascha S.: Silvia Beckmann beispielsweise (Anm. d. Red. Silvia Beckmann ist die Projektleitung der InWest eG) gehört auch zum Netzwerk.
Michelle F.: Ansonsten hätten wir auch etwas falsch gemacht.
Sascha S.: Eben. Das Netzwerk ist dafür da, um Jobs zu generieren. Von Neu oder einer anderen Agentur bekomme ich keine Jobs.
Jan W.: Nein, aber zum Beispiel haben wir uns schon mal mit einer anderen Agentur aus Dortmund zusammengetan, um bei einer Ausschreibung teilzunehmen.

 

In wie weit zerrt ihr von diesem Netzwerk?

Daniel B.: Ich finde es für ein junges Designbüro essenziell, dass man seine Schnauze auf Veranstaltungen zeigt.
Sascha S.: Ich finde nicht, dass es nur für junge Büros essentiell ist. Ich weiß von älteren Agenturen, die hier niemand kennt. Ab und zu mal sehen lassen, wenn auch nicht in einem Netzwerkrahmen, ist schon wichtig.
Jan W.: Ja aber warum? Was bringt das? – Wenn wir eine Texterin brauchen, dann können wir im Netzwerk nachfragen und werden dann vermittelt. Konter ist ähnlich aufgestellt wie wir und arbeitet je nach Projekt wahrscheinlich auch mit Dienstleistern wie Programmierern zusammen. Die muss man auch erst mal kennenlernen.

 

Werden dadurch denn Jobs generiert oder Projekte umgesetzt?

Sascha S.: ich würde es eher als Zusammenarbeit bezeichnen. Sei es mit Programmierern oder Illustratoren.
Jan W.: Es gibt Netzwerktreffen, finde aber ich extrem anstrengend. Wir haben gemerkt, dass wir Businesstalk weder können, noch wollen. Bei uns kommt es da mittlerweile eher auf Sympathie an. Wir wollen am liebsten nur mit Menschen zusammenarbeiten, mit denen wir uns auch abseits von der Arbeit gut verstehen.
Wird dadurch die Sympathie wichtiger und das Netzwerk untergräbt die Qualität der Arbeit?
Daniel B.: Ich glaube, das muss schon im Einklang sein.
Jan W.: Es bringt dir nichts der netteste Mensch der Welt zu sein, wenn deine Arbeiten schlecht sind.

Sollten Synergien mehr genutzt werden?

Sascha S.: Das liegt doch an den Menschen selber, ob sie das wollen oder nicht.
Michelle F.: Ich glaube, manchmal liegt es an einer Art Stolz – zumindest hier. Du sitzt dann am Schreibtisch und denkst, dass du ein Projekt auch einfach alleine umsetzen kannst.
Jan W.: Dazu kommt oftmals noch das Budget. Davon ab würde ich mir wünschen, dass ich mal mehr alte Hasen auf Veranstaltungen sehen würde.

 

Ist dieses Netzwerk für eure Arbeit essentiell?

Michelle F.: Für Hier ist genau aus dem Gedanken entstanden. Aus dem Studium heraus ein Netzwerk zu generieren, was nicht ausschließlich aus Studierenden besteht. Das hat gut funktioniert. Wir haben Neu darüber kennen gelernt, Rainer Holl haben wir darüber kennengelernt. Dich haben wir darüber kennengelernt. Das sind alles Dinge, die natürlich wichtig sind. Es bringt ja nichts, wenn du in Dortmund studiert hast und willst irgendwo arbeiten willst, aber kennst nur Studenten. Ein Student gibt dir keinen Job. Ein Student kann dir in der Regel keinen ausgereiften Text schreiben oder eine ausgefeilte Illustration liefern. Das war der Gedanke dahinter. Nicht man muss uns kennen, sondern wir müssen Leute kennenlernen. Deswegen muss ich auch nicht zu diesen Veranstaltungen gehen, über denen Netzwerk steht.
Jan W.: Wir als Nicht-Dortmunder sind hier hingekommen und ohne Marc Röbbecke und Reinhild Kuhn von Heimatdesign, die immer wieder sagten, „geht zu der Veranstaltung und der Veranstaltung“, hätten wir überhaupt nicht verstanden, wie das funktioniert. Auch wenn daraus nicht direkt ein Job entsteht, ist es gut, die Leute kennenzulernen. Marc und Reinhild sind, glaube ich, für viele eine Anlaufstelle bei Unklarheiten, die immer recht objektiv vermitteln kann. Dadurch haben wir auch ganz schnell dieses Konkurrenzdenken verloren.
Sascha S.: Das waren auch die ersten, die wir angeschrieben haben, bevor wir mit Für Hier angefangen haben. Danach haben wir das ganze Konzept umgeschrieben und die zweite Veranstaltung war dann bei Heimatdesign.

 

Seht ihr das Netzwerk nur in Bezug auf Dortmund oder das Ruhrgebiet?

Jan W.: Wer in Dortmund arbeitet und wohnt, macht natürlich hier auch mehr nach der Arbeit. Wir kennen zwar auch Büros in Essen, aber das hat andere Gründe. Mit denen sind wir zur Schule gegangen oder haben mit ihnen studiert. Das Netzwerk, mit dem man am meisten zu tun hat, ist meistens in einer Stadt.
Michelle F.: Wenn wir mit anderen Menschen korrespondieren, sind die meist in Berlin.
Sascha S.: Viele sind irgendwann nach Berlin gezogen. Wären sie nach Essen gezogen, wären die Kontakte in Essen. Dieses Ruhrmetropolendenken habe ich persönlich nicht.
Daniel B.: Das gibt es in der Form auch nicht. Jede Stadt kocht ihr eigenes Süppchen. Es hat zwei Jahre gedauert, bis wir den ersten Job aus einer anderen Stadt hatten.
Liegt es daran, dass die Städte ihre ansässigen Designer unterstützen wollen?
Sascha S.: Guck dir die großen Jobs an. Das Schauspielhaus und das Konzerthaus vergeben all ihre Jobs an alteingesessene Agenturen außerhalb des Ruhrgebiets. Da kannst du nicht davon sprechen, dass die städtischen Institutionen die lokalen Büros unterstützen wollen.

 

Seht ihr Nachteile bei der Netzwerkarbeit?

Daniel B.: Nein. Das kann man eigentlich nicht genug machen und wir machen es noch viel zu wenig. Allerdings sind wir auch nie solche Get-together Leute gewesen.
Jan W.: Es ist nicht meine Art und Weise, krampfhaft Kontakte abzugreifen.
Daniel B.: Aber die Leute haben damit Erfolg.
Sascha S.: Haben sie das? Ich könnte es jetzt nicht belegen, dass ich von jemand weiß, der jede Woche auf so eine Veranstaltung geht und damit Erfolg hat.
Jan W.: Sie verkaufen es eher nach außen so, als hätten sie da Erfolg mit. Ich weiß es nicht.
Daniel B.: Da muss jeder seinen eigenen Stil dabei finden. Ich weiß nicht, ob unser Weg der beste ist.
Sascha S.: Die Kontakte sind wichtig, aber ich weiß nicht, ob man sie unbedingt durch offizielle Netzwerktreffen generieren muss.

 

Studio Konter
Michelle Flunkre und Sascha Schilling
Heinrichstraße 21
44137 Dortmund

hallo@studiokonter.de
www.studiokonter.de

 

Neu – Designbüro
Daniel Buchholz und Jan Wagner – van der Stratten
Hoher Wall 22
44137 Dortmund

hallo@buero-neu.de
www.neu-designbuero.de

 

Interview: Jan Kempinski