Randolf Meyer-Grochowiak
Rebell mit Kettensäge

Er liebt den Sturm. Erstens sowieso. Und zweitens, weil er gut ist für’s Geschäft. Zwischendrin sei der Laden mal nicht so wirklich optimal gelaufen, sinniert er, „aber dann kam Kyrill. Und dann hatte ich wochenlang die Kettensäge in der Hand. Nicht wirklich schön, solche Aufträge, klar. Aber die haben ordentlich Volumen!“

Randolf Meyer-Grochowiak ist Gärtner. Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau. Gelernt hat er die Profession vor vielen Jahren in der „Grünen Schule“ Dortmund. 2003 macht er sich als Gärtner selbständig: „Da gab es die sogenannte ‚Ich-AG’. Man kriegte unbürokratisch Starthilfe, und ich hab das genutzt.“ Er mag Hierarchien nicht so, und – kleines Grinsen – „auch keine Chefs. Außer ich bin selber einer …“ Die Um- oder Neugestaltung von Gärten gehört zu seinem Repertoire, auch der Teichbau oder der Obstbaumschnitt: „Da trauen sich viele ohne Hilfe nicht ran.“ Viel macht er allein. Manchmal braucht er Spezialisten: „Baumkletterer zum Beispiel oder Tiefbauer, je nachdem.“

Man könnte die Welt doch besser machen

In der Küche der riesigen Altbauwohnung Ecke Adlerstraße und Heinrichstraße gibt es fairen Kaffee; auf einem Regal stehen unzählige Gläser mit Kräutern, und die Anzahl der Küchenhelfer wie Kelle, Pfannenwender oder Schneebesen, die säuberlich an Haken hängen, ist stattlich. Stattlich auch der ganze Mann: Er hat wie gewohnt sein Käppi auf, ohne das ihn vermutlich noch nicht allzu viele Menschen im Unionviertel gesehen haben. Im Nacken pendelt ein stramm geflochtener, dünner Zopf, der mit einem Ziegenbärtchen konkurriert. Ohne Frage handelt es sich bei der ehemaligen Ich-AG um einen Individualisten, der in einem Juni vor 50 Jahren in Herne das Licht der Welt erblickte und drei Kinderjahre im Sauerland verbrachte, bevor die Familie nach Dortmund kam. Interessiert in alle Richtungen, sei er, bescheinigt er sich. „Ziemlich politisch bin ich und außerdem ziemlich rebellisch. Jetzt mal ehrlich: Man könnte die Welt doch besser machen. Aber man muss dann auch mal was dafür tun.“

Hausbesetzerszene, Vorstandsarbeit beim Perma-Park, Öko-Ackerbau, möglichst vegan leben als ethische Grundhaltung. Das sind ein paar Stichworte, die sein Leben skizzieren, besser: Teile daraus. Revolution über das eigene Konsumverhalten: „Wie kann man nicht vegetarisch leben, wenn man alle Konsequenzen durchdenkt?“, fragt er.

Mit 23 war ich schon Papa

Auch Kunst spielt eine große Rolle – Musik, Malerei, doch davon später. Erst einmal soll die Rede von der Familie sein. Von Tina Meyer, die als Altenpflegerin arbeitet, und die er früh kennen lernt; geheiratet wird übrigens erst nach elf Jahren, da sind die Kinder schon lange auf der Welt.

„Mit 23 war ich schon Papa, und das war wirklich so gewollt!“ Von Töchterchen Ina, die mittlerweile in Detmold Innenarchitektur studiert. Zwei Jahre später kommt Lynn zur Welt. Sie lebt in Dortmund, studiert chinesisch und russisch, „und wir als Familie“, sagt Randolf Meyer-Grochowiak, „wir haben die allerbesten Kontakte und sehen uns ziemlich oft!“

Golden Retriever Bela ist ebenfalls ein geschätztes Familienmitglied. Er liegt während des Gesprächs auf dem Dielenboden, klopft ab und zu ein bisschen mit dem Schwanz und strahlt – wie der Herr, so’s Gescherr – Freundlichkeit und Gelassenheit aus.

Gelegentlich begleitet er seinen Herrn auch beruflich. Seit zwölf Jahren ist der Gärtner mit Käppi und Zöpfchen mit Hänger und Hund im Viertel unterwegs, zu Hinterhöfen und Kleingärten, Parks und Gärten hinter Einfamilienhäusern. Das war nicht immer so. Er hat – „Ich wollte immer auch wissen, wie was anderes ist!“ – auch schon Staubsauger verkauft. Oder Versicherungen. Bücher auch oder Esoterisches. „Am Gnadenort“, sagt er, „da gab’s damals so einen Laden, das war ein Mekka für Eso-Fans.“

Als Kurierfahrer war er auch schon unterwegs. Und als Betreuer von Behinderten.

Musik auf dem Dachboden

Die Kunst hat ihn immer begleitet. In den Zimmern und in der der geräumigen Diele hängt Großformatiges – Aquarellfarben, Tempera, es ist bunt und fantasievoll, aber lange her. „Ich werde“, sagt er ein bisschen bedauernd, „beim Malen einfach nicht mehr von der Muse geküsst, und dann fehlt mir auch die Zeit.“

Die Zeit, die bleibt, nutzt er für seine Musik. Einmal in der Woche trifft er sich mit Freunden zur Session auf dem Dachboden. Der ist gedämmt, wegen der Nachbarschaft, und da stehen: ein Keyboard und diverse Trommeln, Flöten und eine E-Gitarre sowie ein Saxofon. Trommel, Keyboard, Gong und Kalimba spielt der Gastgeber selbst. Ab und zu gibt es für den engen Freundeskreis Wohnzimmerkonzerte, unregelmäßig, „aber demnächst, da machen wir wieder was!“

Früher waren Randolf Meyer-Grochowiak und seine Kumpels ab und an auch auf Tournee, Schwerte, Herford, Dortmund natürlich, „mit Gerd Neumann und anderen.“ Doch das ist auch schon eine ganze Weile her, und die Zeiten, man kann sie nicht zurück drehen. Nachdem er den Perma-Park verlassen hat („Vereine sind ja leider oft Tummelplätze für Profilneurotiker, besonders bei den Vorstandsposten …“), ist er nun sein eigener Herr, beackert ein Stück Grabeland in Dorstfeld. Vor uns auf dem Kückentisch liegt eine dicke gelbe Zucchini, eine Gurke, ein paar Chili-Schoten. Klar doch, von der eigenen Scholle.

„Wenn ich wollte“, sagt Randolf Meyer-Grochowiak und lehnt sich sehr entspannt auf dem Küchenstuhl zurück, „könnte ich mich komplett selbst versorgen, und das, ganz ehrlich, das ist ein richtig gutes Gefühl!“

 

 

Text: Ursula Maria Wartmann
Foto: Julia Reschucha

Sommer 2015