Sie ist 46, sie lacht gerne und lebt mit ihrer Tochter Hanna am Westpark in einer Altbauwohnung mit einem großen Hinterhof. Das Wohnzimmer ist sparsam aber auserlesen möbliert: ein antiker Schreibtisch, auf dem der Laptop steht, eine elegante Wohnlandschaft, ein Sideboard. Eine riesige extravagante Leuchte an der Wand. Viele Bücher. Bei soviel Ambiente ist ziemlich schnell ziemlich klar, dass hier ein Mensch mit intellektuellem Hintergrund lebt.
Susanne Schröder hat Medienwissenschaften studiert – Schwerpunkt Film und Theater – und sich vor zehn Jahren als Kulturmanagerin weitergebildet. Und dann ist da etwas, was sehr besonders ist. Ihr Vater, Jörg Schröder, gründete 1969 („Das war mein Geburtsjahr …“) in Frankfurt den legendären MÄRZ-Verlag, der die nicht minder legendären „68er“ mit seinen Publikationen lange Jahre begleitete (z. B. Gerhard Bott: Erziehung zum Ungehorsam, März bei Zweitausendeins, Ffm. 1976) .
Ihr Vater lebt – und bloggt – heute in Berlin; ihre Mutter Erika ist vor einigen Jahren in Dortmund gestorben. Sie war Lehrerin, begleitete mit den beiden Töchtern lange Ehejahre hindurch das rastlose Leben ihres Mannes. Der gehörte damals in Frankfurt-Bornheim, erzählt Susanne Schröder, zum Umfeld des ersten Kinderladens, „obwohl er selbst so autoritär war“. Aber dass zwischen Theorie und Praxis gelegentlich eine Lücke klafft, ist, kleines Seufzen der Tochter, auf der Welt ja nichts Neues.
Nomen est Omen
Vier Jahre alt ist sie, als der Verlag das erste Mal in Konkurs geht. Die Familie geht mit ihrem Wohnmobil erstmal auf große Reise: Frankreich, Spanien, Marokko.
Nach der Rückkehr mietet man sich auf dem Land bei Fulda ein altes Bauernhaus. „Ganz viel Natur“, sagte Susanne, „Hühnerställe, ein riesiger Garten. Ich habe das damals sehr geliebt.“ Die Mutter arbeitet in der Nähe als Lehrerin, der Vater versucht sich an der Neuauflage des Verlagsprojekts: „Unsere Oma war als Geschäftsführerin mit an Bord.“ Susanne ist zwölf, als es in ein 200-Seelen-Dorf in den Vogelsberg geht. „Schlechtenwegen hieß das“, sie grinst, „und irgendwie hatte das was von ‚nomen est omen’ …“
Jedenfalls werden die Dinge kompliziert – komplizierter, als sie es ohnehin schon sind. Der Vater hat eine neue Liebe, die mit im Haus lebt. „Das war gruselig. Wir haben immer zusammen gegessen, mein Vater hat rumgebrüllt. Und als meine Eltern sich nach einem Jahr getrennt haben, war das eine Erleichterung für mich.“
Alte Mühle in Irland
Erika Schröder zieht mit den Töchtern Susanne und Katinka nach Fulda zurück. Hier lebt Susanne, bis sie neunzehn ist, macht ihr Abitur und geht dann für eine Weile nach Stuttgart. Johannes-Gutenberg-Schule. Beginn der Ausbildung zur Druckformherstellerin. Die Wohnsituation ist schwierig. „Mal war ich in einer WG, wo ein Typ gerade in Nicaragua war. Oder in einer Hochhauswohnung, wo die Bekannte einer Bekannten gerade eine Radtour durch Schweden machte.“
Sie geht nach Fulda zurück, dann geht es ab nach Irland: County Cork im Süden der Insel. Eine Freundin der Mutter baut dort eine alte Mühle aus; Susanne hilft gegen Kost und Logis und überlegt, wie es in ihrem eigenen Leben weitergehen soll. Ihre Schwester lebt schon in Dortmund; ein Argument, es auch mal im Ruhrpott zu versuchen. Nächste Stationen: Raumplanung bis zum Vordiplom, dann ein kurzes Gastspiel an der Humboldt-Uni in Berlin mit Englisch und Geschichte. Dann Medienwissenschaften in Bochum. Damit der Rubel rollt, arbeitet sie bei der Mitropa als Liegewagenschaffnerin, und zwei Jahre lang in Restaurants von Autoreisezügen. „Meine Mutter hat bei dem ganzen Chaos irgendwann den Geldhahn abgedreht, das konnte ich gut verstehen.“
Vom Hörsaal in den Kreißsaal
Mit dreißig ist es soweit. Sie hat das Studium abgeschlossen. Ihr damaliger Lebenspartner Axel und später Vater ihrer Tochter habe sie sehr unterstützt: „Der hat absolut den Titel ‚Co-Magister’ verdient, das war wirklich klasse.“
„Vom Hörsaal in den Kreißsaal“ betitelt sie lapidar ihren neuen Lebensabschnitt. Im Februar 2002 kommt Töchterchen Hanna zur Welt. Vier Jahre später ist die Beziehung zwischen den Eltern zu Ende, doch man trennt sich ohne Groll.
In der Folgezeit sei sie, sagte Susanne Schröder, immer mal wieder auch ohne Job gewesen. Aber sie hat in den Jahren auch viel gemacht: Öffentlichkeitsarbeit bei der Internationalen Bauausstellung Emscher Park 1996 – 1999. Bürojobs bei der Viterra, „das hab ich ganz pragmatisch durchgezogen, das ging von zu Hause aus.“ Einige Jahre Mitarbeit bei einer Produktionsfirma für Industrie- und Imagefilme und schließlich einer Werbeagentur …
Alles läuft rund
Seit 2013 ist sie bei „bodo“. Ist zuständig für Kulturelles und Medienkontakte. Für die Anzeigenleitung und Veranstaltungshinweise. Sie arbeitet gerne da, tolle Kollegen und Kolleginnen hat sie, und nach all dem Tingeln und Tangeln scheint es, als sei sie angekommen. Sie mag das Unionviertel, „hier ist es klein, übersichtlich und bunt, nur ein paar Kneipen und Cafés mehr wären gut.“ Alles läuft rund im Moment, auch Töchterchen Hanna geht es bestens. Und wenn es im Westpark im Sommer zu laut wird, zieht sie sich in den Hinterhof zurück. „Da ist es dann ruhiger.“ Sie hat bei der Neue Kolonie West und im Verein Rheinische Straße mitgearbeitet, als es dort noch etwas mitzumachen gab, sie liest viel und fotografiert, reist, macht Yoga, liebt die Programmkinos … Und seit einem Jahr hat sie eine neue Liebe. Der Kontakt zu Axel ist unproblematisch und frei von den berüchtigten „Altlasten“; er wohnt nur ein paar Straßen weiter. So ist auch der Weg für Hanna nicht weit, wenn sie turnusmäßig beim Papa Quartier bezieht … Gemeinsam geht es einmal im Jahr zu einem Musik- und Kunstfestival, dem „Kulturtag“, wo Susanne Schröder seit langem „Kulturattacheuse“ ist. Beruflich hat sie dem Kulturmanagement abgeschworen, hier kann sie nach Lust und Laune ihrem liebsten Interesse nachgehen: KünstlerInnen für das Festival gewinnen und betreuen, bei der Redaktion des Programmhefts unterstützen oder beim Küchendienst für Hunderte von Gästen Gemüse schnippeln – es ist schwer was los, wenn im August der Westerwald seinen „Kulturtag“ feiert.
Text: Ursula Maria Wartmann
Foto: Sabrina Richmann
März 2016