Vergnügen im Viertel
„Mach Dir ein paar schöne Stunden – geh ins Kino.“

Die älteren Leser werden sich an diesen Werbespruch aus den 1960ern erinnern. Doch schon 1911 errichtete der Kinobetreiber Heinrich Assauer an der Dorstfelder Brücke den ersten eigenständigen Kinoneubau Dortmunds: das Orpheum-Residenz-Theater mit zunächst 375 Sitzplätzen. Wegen seines auffälligen Blickfangs, der aus dem Dach vorspringenden Pegasus-Statue, war das „Orpheum“ weit über das Quartier an der Rheinischen Straße hinaus bekannt.

Ein gesteigertes Bedürfnis nach Zerstreuung und Unterhaltung, auch um die Folgen der schlechten allgemeinen wirtschaftlichen Lage für ein paar Stunden zu vergessen, brachte den Betreibern der Filmtheater großen Zuspruch und stabile Einnahmen. Dies veranlasste den Eigentümer des Orpheum, durch Umbauten und Erweiterungen die Zahl der Plätze auf 600 (1929) bzw. 800 (1939) zu vergrößern. Einen weiteren Vorführsaal richtete H. Assauer 1920 im Saal des benachbarten Wirtshauses ein, das Thalia-Filmtheater mit 351 Sitzplätzen.

Ein kräftiger Trunk gehörte damals zu jedem Kinobesuch. Weiche Sessel gab es noch nicht; im alten „Orpheum“ standen Tische zwischen den langen, harten Bankreihen, und ein geschäftiger Kellner unterbrach die spannendste Stummfilmszene durch die lautstarke Frage: „Noch jemand einen halben Liter?“
Die Rolle des Filmmusikkomponisten wurde in der Frühzeit des Films von dem Mann am Klavier mit mehr oder minder großem Erfolg wahrgenommen. Er untermalte die Filmszenen mit den Schlagern jener Tage, und da auch er sich mitunter zu reichlich an dem Gerstensaft labte, konnte es vorkommen, dass seine Musik erheblich hinter der Filmhandlung herhinkte. Eine Tatsache, die den Spaß der Zuschauer nur vergrößerte.

Nach der Zerstörung der Kinos im 2. Weltkrieg wurde das Orpheum in einem weniger spektakulären Gebäude wieder aufgebaut. Es war Teil des Kinobooms in West-Deutschland: Dortmund besaß 1956 – bezogen auf die Einwohnerzahl – die meisten Kinos in der Bundesrepublik, noch vor München und Köln.

Die Ruhr Nachrichten berichteten am 8. März vom Brand der Diskothek Orpheum. Quelle: Ruhr Nachrichten
Das neue Medium Fernsehen – im Volksmund auch Pantoffelkino genannt – verursachte dann in den sechziger Jahren ein rasantes Kinosterben. So wurde das Orpheum zur gleichnamigen Diskothek, zu deren heute noch viel bedauertem Ende ein Feuer im Jahr 1989 führte.

Die Ruhr Nachrichten berichteten am 8. März vom Brand der Diskothek Orpheum. Quelle:Ruhrnachrichten

Text:
Theodor Beckmann, Jochen Nähle, Westfalen-Kolleg Dortmund

Titelbild: 
Das Orpheum vor dem 2. Weltkrieg, im Hintergrund die Action Brauerei. Quelle: Valentin Frank

Ersterscheinung: Rheinische Straßenzeitung Juli 2010